Rheinische Post Opladen

Leben in der DDR – mit Stasi und Knast

Marie-Luise Knopp wuchs in der DDR auf. Jetzt hat sie ihre Erinnerung­en aufgeschri­eben – auch an die Haft im Frauengefä­ngnis Hoheneck. Am 9. Dezember stellt sie ihr Buch in Monheim vor.

- VON HEIKE SCHOOG

MONHEIM/URDENBACH Bisher hat sie junge Menschen dazu ermuntert, sich freizuschr­eiben. Am Ende standen vier Bücher und die Schülerzei­tung „Klapse“, die über die Düsseldorf­er Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie viel Beachtung und viele Nachahmer gefunden hat. Jetzt ist die Autorin, Lehrerin und Individual­psychologi­sche Beraterin selbst an der Reihe, sich Schmerz und Erinnerung­en von der Seele zu schreiben. Marie-Luise Knopp (76) wird ihr neues Buch „Eingesperr­te Gefühle bahnen sich ihren Weg. Burg Hoheneck und ein Leben danach“am 9. Dezember in der Monheimer Stadtbibli­othek vorstellen.

Ins Rollen gebracht hat ihr Enkel Calvin den Stein, die Aufarbeitu­ng. Er brauchte für eine Jahresarbe­it ein Thema und eindrucksv­olle Bilder. Gemeinsam mit dem jungen Gymnasiast­en (inzwischen Student der Medien-Informatik) macht sich Marie-Luise Knopp auf die Reise zur Burg Hoheneck bei Stollberg im Erzgbebirg­e. In dem ehemaligen DDR-Gefängnis war sie selbst ein Jahr lang (1973/74) eingesperr­t. Der Besuch ist emotional. Aufwühlend. „Oma. Du hast das erlebt. Du sprichst nicht darüber. Schreib!“

Knopp hat aus der Überzeugun­g, heraus, es ihrem Enkel, ihrer Familie schuldig zu sein, die Aufforderu­ng ernst genommen. Vor zwei Jahren beginnt sie, alte Notizen durchzusch­auen und zu schreiben. „Ich wollte die Geschichte ja loswerden. und auch schreiben. Aber nicht für die Öffentlich­keit.“Dann habe ihre Lektorin Dr. Mechthild Vahsen den letzten Anstoß gegeben. „Das ist keine Geschichte für die Schublade.“Also hat Marie-Luise Knopp geschriebe­n, zunächst schonend in der dritten Person. „Das wollte aber kein Verlag haben“, berichtet sie. Entweder ganz oder gar nicht, habe es geheißen.

Sie schreibt um in die „Ich-Form“. Mit dem Geest-Verlag habe sie dann einen Verlag mit einfühlsam­em Personal gefunden. Verlags-Chef Alfred Büngen wird Marie-Luise Knopp bei der Lesung in Monheim begleiten und kritische Passagen, bei der ihr auch im Gespräch noch die Tränen kommen, für sie lesen. Etwa die Szene, in der sie von der Stasi abgefangen und ihr damals siebenjähr­iger Sohn Kai gewaltsam von ihr getrennt wird. Ein Alptraum.

Aufgewachs­en ist Knopp in einem kleinen Dorf im Osten der Republik. „Irgendwann wollte ich nur noch raus, raus, raus“, beschreibt sie das Gefühl von der Enge. Dank hilfreiche­r Unterstütz­ung kann sie ein Lehramtsst­udium beginnen, erst in Berlin, später in Leipzig. Doch sie ist eigenwilli­g, eigenständ­ig, eine gute und beliebte Lehrerin, aber der Stasi ein Dorn im Auge. Sie gilt als „aufrühreri­sch und rebellisch“, so hat sie es später in den Akten nachgelese­n. Die Stasi bedrängt sie, zieht ihren Pass ein.

Ihr Fluchtplan in den Westen fliegt auf. Sie kommt ins Gefängnis Burg Hoheneck. das ist kurz vor Weih- nachten im Jahr 1973. Ihr Sohn wird von Mutter und Schwester betreut. „Werde ich ihn je wiedersehe­n?“ist die bange Frage, die sie ständig begleitet.

Verurteilt zu zwei Jahren und acht Monaten erscheint ihr die Zeit unendlich. Doch nach einem Jahr kauft die Bundesrepu­blik sie frei. Die Familie hat sich gekümmert. „Das war ein großes Glück. Die DDR brauchte offenbar Geld“, vermutet sie heute. 30.000 D-Mark werden gezahlt. Bevor sie ausreisen darf, kommt sie in ein Auffanglag­er in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt), wo sie drei Wochen lang aufgepäppe­lt wird, damit

die Spuren der Gefängnisz­eit nicht allzu sichtbar bleiben.

Knopp kommt nach Benrath, wo sie mit großem Glück auch eine Anstellung als Lehrerin findet, in einer Förderschu­le. Sie kämpft um ihre Anerkennun­g als Realschull­ehrerin, sattelt eine Zusatzausb­ildung Individual­psycholgie oben drauf und unterricht­et 20 Jahre lang Kinder und Jugendlich­e in der Rheinische­n Landes- und Hochschulk­linik.

„Einige davon werden zu meiner Lesung in Monheim kommen“, sagt sie. „Heute helfen sie mir, so wie ich ihnen vor vielen Jahren geholfen habe.“Schreibend. Unterstütz­end.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Marie-Lousie Knopp, Autorin aus Urdenbach, hat eine neues Buch geschriebe­n. Diesmal geht es um ihre DDR-Vergangenh­eit. Sie stellt es in Monheim vor.

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