Erste Liebe – wie ein großer Luftballon
Eltern sollten zuhören, wenn das Kind über seine Gefühle spricht, empfiehlt der Monheimer Familienberater Müller.
MONHEIM Die erste Liebe verursacht nicht nur bei Jugendlichen ein Auf und Ab der Gefühle, auch die Eltern hoffen und bangen mit dem Nachwuchs. Thomas Müller, Leiter der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, die für Langenfeld und Monheim zuständig ist, gibt Tipps.
Was tun Eltern, wenn das Kind zu Hause stolz von seiner ersten Liebe erzählt?
Müller Zuhören. Vielleicht sind Väter und Mütter erst einmal erschrocken und besorgt, wenn Kinder das Thema ansprechen. Sie sollten aber zunächst begleitend dabei sein.
Für Eltern ist die Situation vielleicht schwierig. Sie sind nicht mehr die wichtigsten Ansprechpartner. Der erste Freund oder die erste Freundin zeigen ihnen auch, dass die Kinder sich emotional abnabeln.
Müller Erst einmal können Eltern stolz sein, dass die Kinder selbständig werden. Die erste Liebe ist aber auch ein Zeichen dafür, dass man sich als Familie verändern muss und das auch kann. Mancher erinnert sich vielleicht sogar noch gut an die eigenen Erfahrungen.
Das Gesprächsthema Nr. 1 kann ganz schön anstrengend sein. Darf ich als Mutter die Schwärmerei auch mal abblocken?
MÜLLER Die erste Verliebtheit ist wie ein Luftballon voller Wünsche und Vorstellungen. Solange alles gut geht, ist das etwas Tolles. Die Gefühle nehmen viel Raum ein und verdrängen alles andere. Es ist eine Kunst, aus diesem allumfassenden Gefühl eine Beziehung zu entwickeln, die alltagstauglich ist. Eltern können dabei helfen, die Emotionen zurecht zu rücken. Das gilt es auszuhandeln. Dabei können sie nicht nur auf die Wünsche der Kinder Rücksicht nehmen.
Wie reagieren Mütter und Väter am besten, wenn sie nach ihrer Meinung über den Auserwählten befragt werden?
MÜLLER Das ist ein empfindliches Thema, das Eltern pfleglich behandeln sollten. Die Kinder erwarten zwar eine Bestätigung der eigenen Sicht, haben vielleicht auch Zweifel. Deshalb sollten die Eltern mögliche Bedenken und Kritik ehrlich äußern. Sie sollten dem Nachwuchs die Entscheidung aber weitgehend selber überlassen. Verbote bewirken nur das Gegenteil. Schwierig wird es, wenn Drogensucht im Spiel ist oder wenn der Altersunterschied sehr groß ist, eine Dreizehnjährige sich beispielsweise in einen 18-Jährigen verliebt hat. Das muss man mit den Kindern deutlich besprechen. In diesen Situationen wird von den Eltern viel Vertrauen verlangt.
Wie reagieren Eltern, wenn der Nachwuchs noch keinen Freund hat und jammert, alle Klassenkameraden hätten schon jemanden?
MÜLLER Das kann Druck erzeugen. Eltern können mit den Kindern dann über deren Gefühlswelt reden und sie fragen, was sie sich selber wirklich wünschen. Gibt es im Umfeld jemanden, den sie interessant finden?
Darf ich meinem Kind über meine eigene erste Liebe erzählen, oder ist das pädagogisch unklug?
MÜLLER Eltern sollten durchaus offen sein. Sich ihrer Verantwortung als Eltern aber bewusst bleiben. Sie müssen überlegen, wo die Grenze ist und ihre Intimsphäre bewahren. Wie und wo ich jemanden kennengelernt habe, kann ich aber guten Gewissens erzählen.
Stehen am Anfang Händchenhalten und Küssen im Vordergrund, spielt die Sexualität später eine immer größere Rolle. Das kann Eltern verunsichern.
MÜLLER Die Sexualität entwickelt sich in kleinen Schritten. Im Alter von 13, 14 Jahren ist es zunächst Schwärmerei oder es bleibt beim Küssen. Wichtig ist es, dass Eltern offen damit umgehen und auch über Verhütung sprechen. Gerade bei Mädchen sollten auch die Partner eingebunden werden. Beide sind in der Verantwortung. Sollte ein Mädchen ungewollt schwanger werden, ist es wichtig, dass Eltern Hilfe anbieten und das auch deutlich signalisieren.
Wie schafft man den Spagat zwischen sanfter Kontrolle und Toleranz?
MÜLLER Eltern sind da manchmal in einer schwierigen Lage. Sie sollten die Kontrolle in den Hintergrund stellen und im Gegenzug die Selbstkontrolle der Kinder fördern. Ich kann nicht erwarten, dass sich Sohn oder Tochter offen zeigen, wenn ich vorher häufig misstrauisch reagiert habe.
„Die erste Liebe ist ein Zeichen, dass Kinder selbständig werden“Thomas Müller Beratungsstelle für
Eltern, Kinder und Familien
Meistens hat die erste Liebe nur eine begrenzte Haltbarkeit. Herzschmerz ist vorprogrammiert. Eltern leiden dann oft mit. Wie können sie bei Liebeskummer helfen? MÜLLER Eltern können trösten. Sie haben eigene Erfahrungen gemacht und wissen, dass es nach der Enttäuschung weitergeht. Man kann zusammen überlegen, was schön war und was nicht funktioniert hat. Keinesfalls darf man die Gefühle der Kinder negieren oder sie nicht ernst nehmen.
Gibt es in der Beratungsstelle im Haus der Chancen an der Friedenauer Straße auch Angebote und Kurse zum Thema?
MÜLLER Nein. Die Jugendlichen melden sich bei Bedarf in der Beratungsstelle selber. Sie erleben Liebeskummer als ein Thema, das sie persönlich betrifft. In der Beratung geht es um die Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen als auch um gleichgeschlechtliche Liebe.