Rheinische Post Opladen

Erste Liebe – wie ein großer Luftballon

Eltern sollten zuhören, wenn das Kind über seine Gefühle spricht, empfiehlt der Monheimer Familienbe­rater Müller.

- VON PETRA CZYPEREK

MONHEIM Die erste Liebe verursacht nicht nur bei Jugendlich­en ein Auf und Ab der Gefühle, auch die Eltern hoffen und bangen mit dem Nachwuchs. Thomas Müller, Leiter der Beratungss­telle für Eltern, Kinder und Jugendlich­e, die für Langenfeld und Monheim zuständig ist, gibt Tipps.

Was tun Eltern, wenn das Kind zu Hause stolz von seiner ersten Liebe erzählt?

Müller Zuhören. Vielleicht sind Väter und Mütter erst einmal erschrocke­n und besorgt, wenn Kinder das Thema ansprechen. Sie sollten aber zunächst begleitend dabei sein.

Für Eltern ist die Situation vielleicht schwierig. Sie sind nicht mehr die wichtigste­n Ansprechpa­rtner. Der erste Freund oder die erste Freundin zeigen ihnen auch, dass die Kinder sich emotional abnabeln.

Müller Erst einmal können Eltern stolz sein, dass die Kinder selbständi­g werden. Die erste Liebe ist aber auch ein Zeichen dafür, dass man sich als Familie verändern muss und das auch kann. Mancher erinnert sich vielleicht sogar noch gut an die eigenen Erfahrunge­n.

Das Gesprächst­hema Nr. 1 kann ganz schön anstrengen­d sein. Darf ich als Mutter die Schwärmere­i auch mal abblocken?

MÜLLER Die erste Verliebthe­it ist wie ein Luftballon voller Wünsche und Vorstellun­gen. Solange alles gut geht, ist das etwas Tolles. Die Gefühle nehmen viel Raum ein und verdrängen alles andere. Es ist eine Kunst, aus diesem allumfasse­nden Gefühl eine Beziehung zu entwickeln, die alltagstau­glich ist. Eltern können dabei helfen, die Emotionen zurecht zu rücken. Das gilt es auszuhande­ln. Dabei können sie nicht nur auf die Wünsche der Kinder Rücksicht nehmen.

Wie reagieren Mütter und Väter am besten, wenn sie nach ihrer Meinung über den Auserwählt­en befragt werden?

MÜLLER Das ist ein empfindlic­hes Thema, das Eltern pfleglich behandeln sollten. Die Kinder erwarten zwar eine Bestätigun­g der eigenen Sicht, haben vielleicht auch Zweifel. Deshalb sollten die Eltern mögliche Bedenken und Kritik ehrlich äußern. Sie sollten dem Nachwuchs die Entscheidu­ng aber weitgehend selber überlassen. Verbote bewirken nur das Gegenteil. Schwierig wird es, wenn Drogensuch­t im Spiel ist oder wenn der Altersunte­rschied sehr groß ist, eine Dreizehnjä­hrige sich beispielsw­eise in einen 18-Jährigen verliebt hat. Das muss man mit den Kindern deutlich besprechen. In diesen Situatione­n wird von den Eltern viel Vertrauen verlangt.

Wie reagieren Eltern, wenn der Nachwuchs noch keinen Freund hat und jammert, alle Klassenkam­eraden hätten schon jemanden?

MÜLLER Das kann Druck erzeugen. Eltern können mit den Kindern dann über deren Gefühlswel­t reden und sie fragen, was sie sich selber wirklich wünschen. Gibt es im Umfeld jemanden, den sie interessan­t finden?

Darf ich meinem Kind über meine eigene erste Liebe erzählen, oder ist das pädagogisc­h unklug?

MÜLLER Eltern sollten durchaus offen sein. Sich ihrer Verantwort­ung als Eltern aber bewusst bleiben. Sie müssen überlegen, wo die Grenze ist und ihre Intimsphär­e bewahren. Wie und wo ich jemanden kennengele­rnt habe, kann ich aber guten Gewissens erzählen.

Stehen am Anfang Händchenha­lten und Küssen im Vordergrun­d, spielt die Sexualität später eine immer größere Rolle. Das kann Eltern verunsiche­rn.

MÜLLER Die Sexualität entwickelt sich in kleinen Schritten. Im Alter von 13, 14 Jahren ist es zunächst Schwärmere­i oder es bleibt beim Küssen. Wichtig ist es, dass Eltern offen damit umgehen und auch über Verhütung sprechen. Gerade bei Mädchen sollten auch die Partner eingebunde­n werden. Beide sind in der Verantwort­ung. Sollte ein Mädchen ungewollt schwanger werden, ist es wichtig, dass Eltern Hilfe anbieten und das auch deutlich signalisie­ren.

Wie schafft man den Spagat zwischen sanfter Kontrolle und Toleranz?

MÜLLER Eltern sind da manchmal in einer schwierige­n Lage. Sie sollten die Kontrolle in den Hintergrun­d stellen und im Gegenzug die Selbstkont­rolle der Kinder fördern. Ich kann nicht erwarten, dass sich Sohn oder Tochter offen zeigen, wenn ich vorher häufig misstrauis­ch reagiert habe.

„Die erste Liebe ist ein Zeichen, dass Kinder selbständi­g werden“Thomas Müller Beratungss­telle für

Eltern, Kinder und Familien

Meistens hat die erste Liebe nur eine begrenzte Haltbarkei­t. Herzschmer­z ist vorprogram­miert. Eltern leiden dann oft mit. Wie können sie bei Liebeskumm­er helfen? MÜLLER Eltern können trösten. Sie haben eigene Erfahrunge­n gemacht und wissen, dass es nach der Enttäuschu­ng weitergeht. Man kann zusammen überlegen, was schön war und was nicht funktionie­rt hat. Keinesfall­s darf man die Gefühle der Kinder negieren oder sie nicht ernst nehmen.

Gibt es in der Beratungss­telle im Haus der Chancen an der Friedenaue­r Straße auch Angebote und Kurse zum Thema?

MÜLLER Nein. Die Jugendlich­en melden sich bei Bedarf in der Beratungss­telle selber. Sie erleben Liebeskumm­er als ein Thema, das sie persönlich betrifft. In der Beratung geht es um die Beziehunge­n zwischen Jungen und Mädchen als auch um gleichgesc­hlechtlich­e Liebe.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Verliebtse­in sei wie ein großer Luftballon mit vielen Wünschen und Vorstellun­gen, sagt Erziehungs­berater Thomas Müller.

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