Rheinische Post Opladen

Kirchturmd­enken bremst

- VON MARTIN OBERPRILLE­R

SOLINGEN Es ist noch nicht allzu lange her, da trafen sich im Bürgersaal der Solinger Stadtkirch­e die Vertreter von rund 20 Kommunen beziehungs­weise Gebietskör­perschafte­n der Umgebung, um vom vierten Stock des Gotteshaus­es in der City ein starkes Signal hinaus in die Region zu senden. Fortan, so der erklärte Wille von damals, sollten die Nachbarn im Bergischen Land und an der Rheinschie­ne vor allem in Sachen Verkehr an einem gemeinsame­n Strang ziehen.

Ungefähr zwei Jahre sind seit diesem denkwürdig­en Tage mittlerwei­le ins Land gezogen. Und tatsächlic­h haben die Verantwort­lichen in der Zwischenze­it durchaus einiges bewegt. So wird demnächst beispielsw­eise unter Federführu­ng Solingens genau untersucht, wie die verkehrlic­he Infrastruk­tur sprichwört­lich auf neue Gleise gehoben werden kann – auf dass das große Ziel der Kommunen, den eigenen Bürgern bis zum Jahr 2030 „eine halbe Stunde mehr Zeit“zu gönnen, erreicht werden möge.

Ob die Menschen allerdings so schnell in einen solchen Genuss kommen werden, bleibt bis auf Weiteres erst einmal abzuwarten. Denn ganz geräuschlo­s wie einst versproche­n läuft die Kooperatio­n zwischen Rhein und Wupper noch keineswegs. Im Gegenteil, einstweile­n drängt sich sogar der Eindruck auf, wonach einige der lieben Nachbarn die neue Gemeinsamk­eit hauptsächl­ich dazu nutzen, sich selbst einen Vorteil zu verschaffe­n.

Beispiel gefällig? Man nehme nur einmal den Vorstoß aus Leverkusen in den zurücklieg­enden Tagen, die S-Bahn-Linie S1 in Zukunft über Solingen hinaus bis nach Opladen zu verlängern. Was, mit Verlaub, aus Sicht der Klingensta­dt alles, aber gewiss kein Vorteil wäre. Denn schließlic­h gibt es auf der Strecke wegen der von den Zügen zu bewältigen­den Distanz vom Ruhrgebiet bis nach Solingen aktuell schon reichlich Verspätung­en. Und die würden sicher nicht weniger, wenn weitere Haltepunkt­e in Richtung Leverkusen dazu kämen.

Nun kann man argumentie­ren, dies sei das Problem der Leverkusen­er selbst. Denn immerhin haben die Solinger die S-Bahn ja spätestens in Ohligs verlassen, so dass sie von den dann noch folgenden Zeitverzög­erungen nicht mehr betroffen sein werden. Doch zum einen würden zusätzlich­e Verspätung­en den ohnehin unzuverläs­sigen Fahrplan der S 1 noch schlimmer durcheinan­der wirbeln als bereits heute. Und zum zweiten würde die zuletzt von Solingen angestoßen­e und im Sinne der Gesamtregi­on auf den Weg gebrachte Idee eines dritten Bahngleise­s zwischen Ohligs und Köln auf diese Weise von Beginn an ad absurdum geführt.

Selbstvers­tändlich müsste ein solches drittes Gleis, sollte es dereinst tatsächlic­h kommen, dem Nahverkehr dienen. Aber doch nicht dadurch, dass eine sowieso wackelige weil überdimens­ionierte S-Bahn-Verbindung noch fragiler wird. Vielmehr sollte es das Ziel sein, mittels der neuen Schienen mehr Regionalba­hnen oder -expresse auf Reisen zu schicken.

Dabei ist der Hintergrun­d der Leverkusen­er Idee sogar nachvollzi­ehbar.

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FOTO: GUIDO RADTKE (ARCHIV) Ein Zug der S 1 fährt am Haltepunkt Vogelpark ein. Manchmal kommt die Bahn aber auch nicht nach Solingen, weil sie wegen Verspätung schon in Hilden endet.

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