EU-Richter geben EZB Rückendeckung
Der Europäische Gerichtshof billigt das umstrittene Anleihenkaufprogramm der Notenbank und weist damit die Zweifel des Bundesverfassungsgerichts zurück. Die Kläger um den früheren CSU-Politiker Gauweiler sind enttäuscht.
BERLIN Die umstrittenen Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) in Höhe von bisher 2,6 Billionen Euro sind nach einem richtungweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) europarechtskonform und erlaubt. Die Notenbank verstoße damit nicht gegen ihr Mandat und nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung, urteilte das Luxemburger Gericht am Dienstag. Es wies damit Zweifel des Bundesverfassungsgerichts zurück, das nun auf dieser Grundlage zu einem eigenen Urteil kommen muss. Dabei wird den Karlsruher Richtern kaum etwas anderes übrig bleiben, als sich der Rechtsprechung des obersten EU-Gerichts zu beugen.
Die EZB erwirbt seit März 2015 Monat für Monat nach einem festgelegten Schlüssel Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsländer. Diese expansive Geldpolitik, die sich im Fachjargon „Quantitative Easing“nennt, war eine späte Reaktion auf die Finanzkrise. Da die Inflationsrate in deren Folge über lange Zeit nicht in die Nähe des EZB-Ziels von knapp unter zwei Prozent kam und die Notenbank die Deflationsgefahr bannen musste, flutete sie die Märkte mit billigem Geld – in der Hoffnung, dass dadurch Investitionen und Preise anziehen würden.
Erst in der jüngeren Vergangenheit zeigte diese Politik Wirkung, die Inflationsrate zog wieder an. Am Donnerstag dürfte der EZB-Rat daher beschließen, das Anleihenkaufprogramm Ende 2018 einzustellen. Es verbilligt für die Euro-Staaten die Kreditaufnahme. Das half hochverschuldeten Staaten wie Griechenland und Italien besonders, aber auch Deutschland profitierte: Der 2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000 2015 115.584
Bund sparte nach Berechnungen der Deutschen Bank zwischen 2008 und 2016 fast 260 Milliarden Euro.
Die Kläger um den CSU-Politiker Peter Gauweiler sowie die früheren AfD-Politiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel sahen darin jedoch eine verbotene Staatsfinanzierung. Die EZB sei längst zur größten Gläubigerin der Euro-Staaten aufgestiegen. Sie finanziere damit die Staatsverschuldung „in ungeheurem Ausmaß“, sagte Ökonomie-Professor Lucke. Indirekt bezahle Deutschland die Rettung überschuldeter Staaten und maroder Banken in Südeuropa.
Im Sommer 2017 war das Bundesverfassungsgericht dieser Argumentation 2016
teilweise gefolgt. Es sah „gewichtige Gründe“dafür, dass die Anleihenkäufe tatsächlich gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen. Da aber Karlsruhe nicht gegen den EuGH urteilen kann, legte es den Luxemburger Richtern einen präzisen Fragenkatalog vor, der nun aber nur teilweise beantwortet worden ist.
Gegner der EZB-Politik reagierten entsprechend wütend auf den EuGH. „Dieser hat die Einwände des höchsten deutschen Gerichts, soweit er sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, in einer Weise zurückgewiesen, die man nur als Provokation bezeichnen kann“, erklärten die Unternehmer Heinrich Weiss, Patrick 2017 2018 2.562.424
Adenauer und Jürgen Heraeus. Auch sie hatten 2015 gegen die Anleihenkäufe in Karlsruhe Klage eingereicht. Unterschiedliche Reaktionen löste das Urteil in den Berliner Regierungsfraktionen aus. „Ich habe das Urteil so erwartet. Das oberste Ziel der EZB muss die Stabilität der Euro-Zone sein. Gemessen an diesem Ziel war die EZB-Politik gerechtfertigt“, sagte Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD. Eckhardt Rehberg, Chefhaushälter der Unionsfraktion, sagte dagegen: „Ich bin nicht glücklich mit diesem Urteil, weil es auch an anderer Stelle Tür und Tor für weitere, neue expansive Maßnahmen der EZB öffnen könnte.“