Rheinische Post Opladen

Die Kraft von Weihnachte­n

Das Fest zu Jesu Geburt füllt die Herzen mit der Sehnsucht nach Versöhnung.

- Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Auch 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs wird im Flandern Fields Museum noch immer von einer Begebenhei­t berichtet: Am Abend des 24. Dezember 1914 hören die meist sehr jungen Soldaten an der Front, wie im gegnerisch­en Graben ein Weihnachts­lied gesungen wird. Sie antworten in ihrer Sprache mit der gleichen Melodie. Und dann steigt der erste Mutige heraus aus der Deckung. Und keiner schießt auf ihn. An Heiligaben­d 1914 kamen die Gegner aus den Schützengr­äben zusammen, sangen und sprachen miteinande­r. Erklärte Feinde reichten die Hände, begruben miteinande­r die gefallenen Kameraden und spielten im Mondschein sogar noch Fußball. Die Generäle mussten später die Frontoffiz­iere und Truppen austausche­n, da diese zum Schießen und Morden nicht mehr bereit waren.

Ich glaube fest: Weihnachte­n hat die Kraft, dass Menschen miteinande­r Frieden finden. Dieses Fest berührt das Beste im Menschen und füllt die Herzen mit der Sehnsucht nach Versöhnung. Dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus aus reiner Liebe zu uns Menschen auf unsere Welt kam, berührt und wird weltweit verstanden. Wir begreifen intuitiv, warum vor 70 Jahren – nach zwei Weltkriege­n – die Formulieru­ng der allgemeine­n Menschenre­chte mit diesem Artikel begann: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlich­keit begegnen. An Weihnachte­n liegt die Geschwiste­rlichkeit aller Menschen in der Krippe. Lassen Sie sich mitnehmen von diesem göttlichen Impuls der Liebe. So lassen sich Gräben überwinden und die Zeichen der Zeit werden wieder auf Versöhnung gestellt.

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