Rheinische Post Opladen

Die Krux mit dem Digitalpak­t

Das Gezerre um die Ausstattun­g der Schulen mit Tablets und W-Lan ist ein Musterbeis­piel dafür, wie Zukunftspr­ojekte im Dickicht der Verantwort­lichkeiten zwischen Bund und Ländern stecken bleiben können.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Für die Digitalisi­erung der Schulen steht in Berlin ein Füllhorn mit fünf Milliarden Euro bereit. Bund und Länder sind aber nicht in der Lage, die Gelder an Kommunen, an Schulen, in den Unterricht fließen zu lassen. Dabei gehört die Ausstattun­g der Schulen mit Tablets und W-Lan zu den Top-Projekten der Regierung. Nun droht es zwischen Bund und Ländern zerrieben zu werden. Es stand von Anfang an auf tönernen Füßen. Die frühere Bildungsmi­nisterin Johanna Wanka (CDU) versprach bereits 2016 die Digitalisi­erung der Schulen, hatte aber mit dem damaligen Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) nicht über die Finanzieru­ng gesprochen. Schäuble, der in der vergangene­n Wahlperiod­e in der zähen Auseinande­rsetzung um den Bund-Länder-Finanzausg­leich mit dem Rücken zur Wand stand, zeigte keine große Lust, den Ländern erneut Milliarden zu spendieren.

Die Dringlichk­eit, dass die Schüler nicht nur auf ihren privaten Smartphone­s daddeln, sondern in der Schule auch Anleitung erhalten sollen, wie sich Tablets fürs Lernen einsetzen lassen, ist in Berlin durchaus erkannt. Als nach der Bundestags­wahl noch Union, FDP und Grüne eine Regierung miteinande­r bilden wollten, trafen die Parteien unter dem Druck der kleinen Partner weitgehend­e Vereinbaru­ngen für eine Kooperatio­n von Bund und Ländern in der Bildung. Damit kamen sie einer in der Mehrheit der Bevölkerun­g herrschend­en Wunschvors­tellung nach.

Union und SPD entschiede­n sich für eine kleinere Lösung, die eine nur so weitgehend­e Grundgeset­zänderung vorsah, dass der Bund die für den Digitalpak­t Schule notwendige­n fünf Milliarden Euro hätte herübersch­ieben können. FDP und Grünen aber schwebt mehr vor. Der Bund soll aus ihrer Sicht auch Verantwort­ung bekommen. Im August schrieben sie in der ungewöhnli­chen grün-gelben Allianz der Kanzlerin einen Brief, in dem sie „dauerhaft und konstante Finanzmitt­el des Bundes“für die Bildung forderten. Es sei nicht weitgehend genug, nur in Beton und Chips zu investiere­n.

Da die Regierung für die Grundgeset­zänderung die Stimmen von FDP und Grünen benötigte, konnten sie eine sehr weitgehend­e Formulieru­ng herausverh­andeln. „Der Bund kann den Ländern zur Sicherstel­lung der Qualität und der Leistungsf­ähigkeit des Bildungswe­sens Finanzhilf­en für gesamtstaa­tlich bedeutsame Investitio­nen (...) im Bereich der kommunalen Bildungsin­frastruktu­r gewähren.“Dieser harmlos klingende Satz wurde am 23. November als Kompromiss öffentlich verkündet.

Unter den Tisch fiel, dass auch die Haushälter ihre Finger im Spiel hatten. Johannes Kahrs (SPD) und Eckhardt Rehberg (CDU) hatten dafür gesorgt, dass die Grundgeset­zänderung bei künftigen gemeinsame­n Bund-Länder-Projekten den Ländern eine 50-prozentige finanziell­e Beteiligun­g abverlangt. Berlin schwieg über diesen gravierend­en Zusatz. Es vergingen einige Tage, bis die Länder, die eigentlich genug Leute in ihren repräsenta­tiven Vertretung­en in Berlin sitzen haben, den finanziell­en Sprengsatz dieser Formulieru­ng bemerkten. Es wäre auch der Job der Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) gewesen, den Ländern den Kompromiss zu vermitteln.

Erst am 2. Dezember meldeten sich einige Ministerpr­äsidenten, unter ihnen Armin Laschet aus NRW und Volker Bouffier aus Hessen, zu Wort. Sie packten die große Keule aus und stellten fest, sie wollten keine „Einheitssc­hulpolitik“. Die sieht allerdings auch die weitgehend­e Grundgeset­zänderung nicht vor. In den folgenden Tagen kündigten alle weiteren Länderchef­s ihren Widerstand gegen den Berliner Kompromiss an. Damit war klar, dass die Grundgeset­zänderung im Bundesrat am Freitag durchfalle­n wird. Nun muss ein Vermittlun­gsausschus­s eingesetzt werden. Einfach wird das nicht. Leiten werden ihn der frühere Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) und die Ministerpr­äsidentin aus Mecklenbur­g-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD). Schwesig hat den Ruf einer schwierige­n Verhandlun­gspartneri­n.

Die Länder wittern ihrerseits die Chance, ganz ohne Grundgeset­zänderung davon zu kommen. Am liebsten würden sie den Digitalpak­t Schule über einen höheren Anteil an der Mehrwertst­euer finanziere­n. Mit FDP und Grünen wird das kaum gehen. FDP-Chef Christian Lindner betonte, die Erwähnung von Qualität und Leistungsf­ähigkeit des Bildungswe­sens im Grundgeset­z sei „ein Fortschrit­t, den die FDP sich von den Ländern nicht abhandeln lassen würde“.

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