Rheinische Post Opladen

Gibt die Autobranch­e das Steuer aus der Hand?

Die IG Metall warnt davor, dass die Firmen beim autonomen Fahren zu stark auf die US-Internetko­nzerne setzen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Neben der Elektromob­ilität ist für die Automobili­ndustrie gerade das wichtigste Thema das „autonome Fahren“. Die derzeit von allen großen Hersteller­n entwickelt­en und erprobten Systeme haben dabei eines gemeinsam: Sie sind auf die sogenannte Cloud angewiesen. Also Speicher- und Rechenkapa­zitäten außerhalb des Fahrzeugs, mit deren Hilfe ein digitales Abbild des Verkehrsge­schehens erzeugt werden kann. Dazu arbeitet die Branche eng mit den großen US-Techkonzer­nen zusammen. Und genau das erzeugt bei so manchem Besorgnis. „Was bei der Elektromob­ilität die Batterieze­lle aus Fernost ist, ist beim autonomen Fahren die Cloud. Dort machen sich die Hersteller gerade zu sehr abhängig von Dritten“, sagte IG-MetallChef Jörg Hofmann unserer Redaktion. Amazon, Microsoft und Google würden zwischenge­schaltet, um die Konnektivi­tät der Fahrzeuge zu sichern. Es fehle an europäisch­en Alternativ­en. „Die Bedrohung geht weniger vom lustigen, kleinen Google-Fahrzeug aus. Die Gefahr entsteht dadurch, dass in einer wesentlich­en Stufe der Wertschöpf­ung beim autonomen Fahren es keine Datensouve­ränität europäisch­er Hersteller gibt“, warnt er. „Wir brauchen eine öffentlich regulierte europäisch­e digitale Infrastruk­tur, nicht nur bei den Netzen, sondern auch bei den Cloud-Services.“

Dabei gibt es durchaus Beispiele, dass sich hiesige Autobauer unabhängig­er von US-Firmen machen. So hatten etwa Audi, BMW und Daimler den Kartendien­st Here gekauft. „Ich war so glücklich, ein Beispiel für Vernunft in dieser Branche zu sehen“, sagt Hofmann angesproch­en auf den Kartendien­st. „Aber auch Here baut auf einer der Clouds der drei US-Konzerne auf. Wir brauchen eine eigene Lösung. Ansonsten begeben wir uns unnötig in Abhängigke­iten von einem oligopolis­tischen Markt, der am Ende über sensible Daten verfügt und die Preise diktieren kann.“Das gelte im Übrigen nicht nur fürs Automobil, sondern auch für die Medizintec­hnik oder den Maschinenb­au, also für all diejenigen, die mit Big-Data arbeiten.

Doch wer müsste eine solche europäisch­e Cloud anstoßen? „Das kann doch analog zum Aufbau der Energieode­r Telekommun­ikationsne­tze laufen“, schlägt Hofmann vor. „Die Regulierun­gsbehörde schreibt es aus und definiert die Bedingunge­n, etwa für Zugangsrec­hte, Datenschut­z und Datensiche­rheit, die Unternehme­n liefern sich einen Wettbewerb. Das kann, aber muss ja nicht über staatliche Investitio­nen laufen.“

Begibt sich die Automobilb­ranche tatsächlic­h sehenden Auges in ein schädliche­s Abhängigke­itsverhält­nis? Der Automobile­xperte vom CAR-Institut der Universitä­t Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffe­r, winkt ab: „Große Abhängigke­iten gibt es auch von Saudi-Arabien in Sachen Öl. Technisch machbar wäre es, aus Braun- oder Steinkohle Brennstoff zu erzeugen. Aber die Frage ist doch, ob alles was technisch machbar ist, auch effizient ist.“Natürlich könnten die europäisch­en Autobauer eigene Cloud-Dienste aufbauen. Aber es gebe zahlreiche Anbieter von Cloud-Lösungen, dass man mitnichten von Monopolen sprechen könne, so Dudenhöffe­r. „Es stimmt, dass es sich in gewisser Weise um eine Aufgabe von Datensouve­ränität handelt, aber die Angst scheint mir schon sehr abstrakt. Man kann auch vom Dachziegel erschlagen werden, wenn man auf die Straße tritt.“Er halte die Überlegung­en des IG-Metall-Chefs für übertriebe­n.

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FOTO: VOLVO Bei voller Fahrt mit dem Tablet arbeiten? Derzeit noch undenkbar, bei diesem Volvo-Konzept aber schon möglich. Auch dafür ist die Cloud nötig.

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