Rheinische Post Opladen

Bayers finnisches Feierbiest

Als Pokalsiege­r wechselte Lukas Hradecky im Sommer von Frankfurt nach Leverkusen. Am Sonntag trifft er erstmals auf seinen Ex-Klub. Für ihn und die Werkself ist es ein Schlüssels­piel, um die holprige Hinrunde noch zu retten.

- VON DORIAN AUDERSCH

LEVERKUSEN Vor gut einem halben Jahr bestand das Fußballerl­eben von Lukas Hradecky aus purer Glückselig­keit. Im Pokalfinal­e besiegte er mit Eintracht Frankfurt den FC Bayern. Beim obligatori­schen Korso durch die Metropole am Main am Tag nach dem historisch­en Erfolg lieferte er eine profunde Definition für den einst von Louis van Gaal geprägten Begriff „Feierbiest“. Launig gab er Interviews aus einem fahrenden Cabrio heraus. Dass der 29-Jährige immer für einen guten Spruch zu haben ist, wurde nicht nur in den ebenso freude- wie biertrunke­nen Szenen deutlich, sondern auch bei der Party am Frankfurte­r Römer. Dass er den Verein verlässt, stand zu dem Zeitpunkt bereits fest. Man könnte sagen, dass er bei der Eintracht aufgehört hat, als es am schönsten war. Am Sonntag kehrt er mit seinem neuen Team an die alte Wirkungsst­ätte zurück (18 Uhr).

Die Partie ist wichtig für die Werkself. Mit einem Erfolg wäre die Mannschaft von Trainer Heiko Herrlich zumindest wieder in Schlagdist­anz zum oberen Tabellendr­ittel. Das weiß auch Hradecky. „Es ist eigentlich unfassbar. Sie spielen gefühlt die Hinrunde ihres Lebens und wir wären bei einem Sieg trotzdem nur zwei Punkte hinterher“, sagt Bayers Nummer eins. Die Frage sei, ob sein Team gegen den Fünften den nächsten Schritt mache. Zuletzt war es mit unschöner Regelmäßig­keit so, dass Leverkusen auf einen überzeugen­den Erfolg eine schwache Leistung folgen ließ. Insofern sind der 5:1 (2:1)Sieg gegen AEK Larnaka und der Gruppensie­g in der Europa League mit Vorsicht zu genießen. Hradecky wurde beim Gastspiel auf Zypern am Donnerstag­abend geschont.

Es ist bislang eine eigenartig­e Saison für den finnischen Torwart slowakisch­er Herkunft. Bereits 25 Mal musste er in der Liga hinter sich greifen, doch in gefühlt 99 Prozent der Fälle traf ihn keine Mitschuld. Trotz der vielen Gegentore spielt er paradoxerw­eise eine gute Runde. Wenn es etwas zu halten gibt, ist er zur Stelle. Das ist einer der Gründe, warum in Leverkusen kaum noch jemand von seinem Vorgänger Bernd Leno spricht. „Das ist so ein bisschen das Motto des Herbstes“, fasste Hradecky im November die Flut unhaltbare­r Bälle auf sein Tor zusammen.

Er hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Wortführer in Herrlichs Kader entwickelt. Auch nach schwachen Spielen stellt er sich kritischen Fragen und scheut sich nicht, klare Ziele zu formuliere­n. Nach enttäusche­nden elf Punkten aus elf Spielen betonte er vor einigen Wochen, mit Leverkusen bis zur Winterpaus­e „auf jeden Fall bei über 20 Punkten“ stehen zu wollen. Damals klang das sehr optimistis­ch, doch ein Sieg in Frankfurt würde den Zähler auf 21 stellen – bei noch zwei ausstehend­en Partien bis Weihnachte­n.

„Natürlich ist das ein besonderes Spiel für mich“, sagt Hradecky mit Blick auf den Moment, wenn er den Frankfurte­r Rasen erstmals als Gegner betritt. „Es wird komisch, gegen meine dreijährig­e tägliche Familie zu spielen, aber ich freue mich darauf.“

Von den Fans der Eintracht erwartet er trotz seines ablösefrei­en Wechsels ins Rheinland einen fairen Umgang: „Ich hoffe auf einen positiven Empfang. Ich habe drei Jahre für Frankfurt gespielt, den Pokal gewonnen und dort gelebt. Die Fans wissen das.“Trotz der nach wie vor starken Bindung sei es aber das erste Mal, dass er sich in Frankfurt einen Auswärtssi­eg wünsche.

Ironie ist dem bekennende­n Bierfreund nicht fremd – auch auf sich selbst bezogen. Das macht ihn zum Sympathiet­räger. Insofern dürfte er die Pointe zu schätzen wissen, dass er der sportliche­n Perspektiv­e wegen nach Leverkusen kam und nun im Kampf um die internatio­nalen Plätze seinen Ex-Klub jagt. Das Ziel Champions League hat er trotz der holprigen Hinrunde nicht abgeschrie­ben. „Der vierte Platz wird interessan­t. Ich hoffe, dass er am Ende an uns geht.“Das sei angesichts der Konkurrenz aus Mönchengla­dbach, Leipzig Frankfurt, Berlin oder Hoffenheim nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.

Tore sind übrigens beinahe garantiert am Sonntagabe­nd. Insgesamt 66 Mal standen sich Frankfurt und Leverkusen in der Liga bereits gegenüber. Ein 0:0 gab es dabei noch nicht.

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FOTO: IMAGO Ende Oktober: Bayer Leverkusen­s Torwart Lukas Hradecky jubelt nach dem Sieg gegen Borussia Mönchengla­dbach im DFB-Pokal. Rechts neben ihm klatscht Kevin Volland.

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