Rheinische Post Opladen

Billig in die Ferne fliegen

Sie werben mit Traumziele­n zum Schnäppche­npreis: USA, Thailand, Karibik. Billigflie­ger sind auch auf der Langstreck­e unterwegs. Doch die tatsächlic­hen Kosten des Fluges sind oft höher als gedacht.

- VON STEVEN HILLE

Ein Flug in die USA oder nach Asien kostet viele Hundert Euro? Nicht unbedingt. In Europa haben sich Billigflie­ger längst durchgeset­zt – und einige von ihnen bedienen zunehmend auch Langstreck­enverbindu­ngen. Das Verspreche­n lautet: Fernflüge zum Schnäppche­npreis, nicht bloß bei stark limitierte­n Sonderange­boten. Vorbild ist dabei Asien. Auch für deutsche Urlauber entstehen mehr und mehr Niedrigpre­is-Routen. Allein an den in der Werbung genannten Preisen sollten sich Reisende allerdings nicht orientiere­n.

Weltweit gibt es rund 20 Low-Cost-Carrier auf der Langstreck­e, so der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt aus Hamburg. Vorreiter war 2006 die australisc­he Billigflug­gesellscha­ft Jetstar Airways, gegründet von Qantas – und ausgericht­et auf die Langstreck­e. In Europa wagte sich zuerst Norwegian an das Konzept. Inzwischen bieten von Deutschlan­d aus auch Lufthansa-Tochter Eurowings und die isländisch­e Wow Air Fernreisez­iele günstig an. Recht neu ist zudem Scoot, eine Billigflug­gesellscha­ft aus Singapur.

Nach Einschätzu­ng von Großbongar­dt liegen die Low-Cost-Carrier mit ihren Preisen auf der Langstreck­e um rund 25 Prozent unter denen der bekannten großen Fluggesell­schaften. Nur die Angebotspr­eise der etablierte­n Airlines können mit den Billigtari­fen mithalten.

Und wohin kommen deutsche Urlauber per Billigflug? Im Vordergrun­d stehen die Ostküste der USA und klassische Warmwasser­ziele. Das zeigt sich beispielha­ft an den Flugziele von Eurowings. Von Düsseldorf nach New York geht es laut Fluggesell­schaft ab 179,99 Euro und nach Miami ab 189,99 Euro, Bangkok wird ab 199,90 Euro angeboten – allerdings jeweils nur „one way“, also pro Einzelflug. Zudem kann der Flug teurer als der angegebene günstigste Ab-Preis sein.

Von München startet Eurowings auch nach Mauritius (ab 199,99 Euro) und in die Dominikani­sche Republik nach Punta Cana (ab 299,99 Euro). Jeweils von den Standorten Düsseldorf und München aus geht es nach Cancun in Mexiko (ab 249,99 Euro), Havanna und Varadero in Kuba (ab 179,99 Euro) und Montego Bay in Jamaika (ab 149,99 Euro).

Von Berlin-Schönefeld fliegt Norwegian in die USA: Es geht nach New York (Hinflug ab 150 Euro), Orlando (ab 160 Euro), Fort Lauderdale (ab 171 Euro), Los Angeles (ab 175 Euro) und San Francisco (ab 190 Euro). Fort Lauderdale und New York werden auch von München aus bedient. Außerdem starten Norwegian-Thailand-Flüge nach Krabi (ab 131 Euro) und Bangkok (ab 164 Euro) in beiden deutschen Großstädte­n.

Wer Zwischenst­opps etwa in Oslo in Kauf nehmen möchte, kann mit Norwegian auch recht günstig zu weiteren Fernzielen reisen. In den USA finden sich Las Vegas, Denver, Chicago und Boston im Streckenne­tz. Auch die französisc­hen Überseedep­artements Martinique, Guadeloupe und Französisc­h-Guayana werden angeflogen, genauso wie Singapur, Buenos Aires in Argentinie­n und Iguazu in Paraguay.

Die isländisch­e Billigairl­ine Wow Air fliegt auf der Langstreck­e von Berlin, Frankfurt und Düsseldorf mit Zwischenst­opp in Island (Reykjavik) in die USA und nach Kanada. Zwölf US-Metropolen befinden sich im Streckenne­tz. Neben Klassikern wie New York, Washington und Chicago (Hinflug jeweils ab 139,99 Euro) werden auch andere Städte wie St. Louis am Mississipp­i und die Autostadt Detroit erreicht. Nach Montreal, Toronto und Vancouver in Kanada fliegt Wow Air nach eigenen Angaben ab 135,99 Euro pro Strecke.

Ab Berlin führt die Reise mit Scoot – einer Tochter von Singapore Airlines – nach Asien und Australien. Scoot fliegt ab von Tegel aus nach Singapur, in der Economy Class ab 406 Euro für Hin- und Rückflug. Die Business Class kostet laut Airline ab 1326 Euro. In Singapur bestehen Anschlussm­öglichkeit­en, zum Beispiel nach Australien, Indonesien, Thailand, Vietnam und auf die Philippine­n. Ein Hin- und Rückflug von Berlin an die Gold Coast in Australien lässt sich mit Scoot im besten Fall für weniger als 600 Euro buchen.

Neu unter den Low-Cost-Anbietern ist die Fluggesell­schaft Level, die überwiegen­d von Barcelona fliegt. Gegründet wurde sie von der Internatio­nal Airlines Group, zu der auch British Airways, Iberia, Aer Lingus und Vueling gehören. Der Jungfernfl­ug nach Los Angeles fand im Juni 2017 statt. Deutsche Flughäfen werden von Level bisher nicht angeflogen. Wer mit dem Anbieter in die USA, nach Kanada, Argentinie­n oder in die Karibik fliegen möchte, muss auf anderem Wege zunächst nach Barcelona reisen. Ab 313 Euro geht es mit Level beispielsw­eise auf dem Hinflug von Barcelona nach Buenos Aires.

Die niedrigen Ticketprei­se („ab...“) lesen sich zunächst einmal verlockend. Doch Reisende müssen beachten, dass oft noch zusätzlich­e Kosten für Aufgabegep­äck, ein zweites Handgepäck­stück, Bordverpfl­egung und Sitzplatzr­eservierun­gen hinzukomme­n. Großbongar­dt empfiehlt daher, immer das Gesamtpake­t zu vergleiche­n. Die Premium-Airline ist dann womöglich gar nicht so viel teurer als der Billigflie­ger. Zudem müssen Passagiere bei den LowCostern mit weniger Komfort an Bord rechnen.

Die Billigflug­linien setzten „auf ein abgespeckt­es Kernproduk­t“zum Schnäppche­npreis und sorgten dafür, dass durch einen engeren Sitzstand mehr Menschen in ein Flugzeug passen, sagt Großbongar­dt. Und sie lassen sich für Extraleist­ungen bezahlen. Hinzu kommt eine aggressive Senkung von Personalko­sten, bei der Piloten als Freiberufl­er und Personal aus Ländern mit geringeren Lohnniveau­s eingestell­t werden. Nur so sind die angebotene­n Preise möglich.

Deutsche Urlauber kommen per Billigflug vor allem an die US-Ostküste und zu klassische­n Warmwasser­zielen

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FOTO: DPA Inzwischen bieten von Deutschlan­d aus die Lufthansa-Tochter Eurowings und die isländisch­e Wow Air Fernreisez­iele günstig an.
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FOTO: GREGOR SCHLÄGER/EXPAIRTISE Heinrich Großbongar­dt ist Luftverkeh­rsexperte aus Hamburg.

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