Rheinische Post Opladen

Die unguten Unwörter

Wenn Wort-des-Jahres-Jurys ihre Analyse mit Politik anreichern, wird es heikel.

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Jetzt ist also fast 2019. Wissen Sie noch, was das „Wort des Jahres“2018 ist? Gekürt vor zwei Wochen von der Gesellscha­ft für deutsche Sprache? Nicht? „Heißzeit“, als Verweis auf den Extremsomm­er. Im Internet war die vorherrsch­ende Reaktion Schulterzu­cken: nie gehört.

Zwar betont die Gesellscha­ft für deutsche Sprache, es gehe nicht um Verwendung­shäufigkei­t, nennt als Kriterium aber zugleich „Popularitä­t“. Irgendwas mit Sprachgebr­auch also doch wohl. Das traf etwa bei „Hartz IV“(2004), „Bundeskanz­lerin“(2005) und „Finanzkris­e“(2008) zu – all diese Wörter waren neuartig, wurden aber auch zwangsläuf­ig Teil unserer Alltagsspr­ache. Auch 2018 gab es solche Kandidaten. „Dieselfahr­verbot“setzten die Juroren aber nur auf Platz sieben. „Heißzeit“ist dagegen wie „Rettungsro­utine“(2012) und „Lichtgrenz­e“(2014): nett, aber ohne praktische Bedeutung, schnell vergessen.

Nun gut, könnte man sagen, ist ja nur ein Spielchen. Naja. Beim „Unwort des Jahres“zum Beispiel, das eine eigene Jury im Januar kürt, geht es meist um Kapitalism­uskritik („Humankapit­al“, 2004) oder Anti-Rechtspopu­lismus („Gutmensch“, 2015). Beides wichtig, zweifellos, aber die politische Agenda ist unverkennb­ar. Wie bei der „Heißzeit“, deren Auswahl die Juroren als Mahnung gegen den Klimawande­l verstanden wissen wollen. So spannend die Beziehung zwischen Sprache und Politik ist: Sinnvoll wäre, wenn sich die Sprachexpe­rten auf sprachlich­e Innovation­en konzentrie­rten. Die „Unwörter“sind in Zeiten, da dauernd von „Sprachverb­oten“und „Gesinnungs­terror“gefaselt wird, ohnehin hochproble­matisch. Natürlich ist sprachlich­e Verrohung zu kritisiere­n. Aber die nobelpreis­artige Kür und die deutliche politische Schlagseit­e sind befremdlic­h. Die „Unwort“-Jury sollte einfach mal ein paar Jahre Pause machen.

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