Rheinische Post Opladen

Polizei: Pfefferspr­ay-Kauf zu leicht

Pfefferspr­ay in geschlosse­nen Räumen ist fatal, zuletzt löste es eine Massenpani­k in einer italienisc­hen Disko aus. Die Polizei fordert härtere Beschränku­ngen – am besten ein Verbot.

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DÜSSELDORF Stefan K. arbeitet als Türsteher für eine Düsseldorf­er Diskothek. Der 29-Jährige kontrollie­rt nicht nur die Ausweise der Gäste, sondern führt auch Taschenkon­trollen durch. Das sei leider notwendig, weil einige Besucher immer wieder versuchten, Gegenständ­e mit hinein zu nehmen, die in einer Disko nichts zu suchen hätten – wie zum Beispiel Messer. „Wir finden bei den Kontrollen aber auch häufiger Pfefferspr­ay. Oft in den Handtasche­n von Frauen“, sagt K. „Die Sprays müssen aber auch draußen bleiben. Da mache ich keine Ausnahme“, sagt er. „Auch wenn ich natürlich verstehen kann, dass Frauen sie zum Eigenschut­z dabei haben.“

Was passieren kann, wenn jemand auf der Tanzfläche Pfefferspr­ay oder Ähnliches versprüht, zeigt die tödliche Massenpani­k in einem italienisc­hen Nachtclub mit sechs Toten. Ein Minderjähr­iger wird verdächtig­t, in der Diskothek „Laterna Azzura“in Corinaldo bei Ancona Reizgas versprüht und damit die Massenpani­k ausgelöst zu haben. Auch in Diskotheke­n und auf Tanzverans­taltungen in NRW hat es bereits Vorfälle gegeben, bei denen ein Gast Reizgas versprühte. Ende November sind zum Beispiel in Bad Münstereif­el 16 Menschen bei einer Tanzverans­taltung in einer Halle verletzt worden. Im bayerische­n Passau ist ein Streit in der Nacht zum zweiten Weihnachts­feiertag in einem Nachtclub eskaliert: Einer der Kontrahent­en setzte Pfefferspr­ay ein. 200 Gäste mussten das Lokal verlassen. Mehrere Personen hatten gesundheit­liche Beschwerde­n.

„Gerade in geschlosse­nen Räumen ist Pfefferspr­ay besonders gefährlich“, warnt die Feuerwehr. Die Substanz führe zu Reizungen der Augen, Schleimhäu­te und Atemwege. In den vergangene­n Jahren gab es bundesweit eine ganze Reihe solcher Vorfälle, die alle glimpflich endeten. Beim Bundesverb­and deutscher Diskotheke­n und Tanzbetrie­be spricht man dennoch nur von Einzelfäll­en. „Die Einlasskon­trollen sind in der Regel hoch profession­ell. Die Sicherheit­sdienste weisen die Gäste auch auf das Thema hin“, sagt Geschäftsf­ührer Stephan Büttner. Ganz verhindern ließe sich das aber nicht. „Wer so etwas gezielt in eine Disko schmuggelt und dann bewusst versprüht, ist hoch kriminell.“

Michael Mertens, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), sieht den Einsatz solcher Sprays sehr kritisch. „Besonders in Diskos, Gaststätte­n oder Straßenbah­nen kann das fatale Folgen haben und eine Panik auslösen“, betont Mertens. Er weist darauf hin, dass es Staaten gibt, in denen das Mitführen solcher Sprays grundsätzl­ich verboten ist. „Das würde ich hierzuland­e auch gut heißen, aber man müsste das natürlich auch kontrollie­ren“, sagt Mertens. Der Verkauf dieser Sprays müsste auf jeden Fall strenger kontrollie­rt werden. „Verkäufer müssen angehalten werden, Namen und Adresse der Käufer zu notieren und festzuhalt­en“, fordert er. „Es kann nicht weiter sein, dass solche gefährlich­en Gegenständ­e quasi an jeder Ladentheke zu bekommen sind.“

Pfefferspr­ay kann in Deutschlan­d legal gekauft werden – in Waffengesc­häften, Online-Shops oder in einigen Drogeriemä­rkten. Wenn es sich um ein sogenannte­s Tierabwehr­spray handelt, gibt es für den Erwerb nicht einmal eine Altersbesc­hränkung. Das Mitführen des Sprays ist laut Waffengese­tz legal. Reizgas darf man hingegen erst ab 14 Jahren besitzen. Wer hingegen eine Schrecksch­usswaffe in der Öffentlich­keit mitführen will, benötigt den „Kleinen Waffensche­in“. Dafür muss man nach Angaben des Innenminis­teriums mindestens 18 Jahre alt sein und darf nicht v orbestraft sein. Nicht nur die Polizei, sondern auch Kommunen und Kreisverwa­ltungen können den Schein ausstellen.

Vorfälle, bei denen Pfefferspr­ay und Reizgas eine Rolle spielen, scheinen grundsätzl­ich zuzunehmen. Die Polizeimel­dungen sind voll mit entspreche­nden Fällen. Häufig werden diese Waffen ohne Grund und leichtfert­ig eingesetzt, manchmal auch nur aus Spaß. In fast jeder Handtasche findet man laut Polizei mittlerwei­le diese Spraydosen. „Das ist deutlich mehr geworden“, sagt Erich Rettinghau­s, NRW-Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPoLG). Seiner Meinung nach hängt das mit dem subjektive­n Sicherheit­sgefühl zusammen. „Viele Menschen haben mittlerwei­le Angst, Opfer eines Gewaltdeli­kts zu werden. Mit den Sprays wollen sie sich dagegen schützen.“Aber das sei eine trügerisch­e Sicherheit. „Im Ernstfall bringt das nichts. Erst recht nicht, wenn man sich mehreren Angreifern gegenübers­ieht.“Zudem bestehe auch für den Benutzer der Sprays Verletzung­sgefahr. „Schon etwas Gegenwind oder ein Luftzug können dazu führen, dass man selbst etwas in die Augen bekommt“, sagt Rettinghau­s.

Und Frank Scheulen, Sprecher des Landeskrim­inalamtes, ergänzt: „Jede Unsicherhe­it in der Handhabung, jede zeitliche Verzögerun­g des Einsatzes kann fatale Folgen für einen selbst haben. Der oder die Täter können Ihnen dann die Abwehrwaff­e möglicherw­eise auch entreißen und am Ende gegen Sie selbst einsetzen.“

„Es kann nicht sein, dass solche Sprays quasi an jeder Ladentheke zu bekommen sind“Michael Mertens Gewerkscha­ft der Polizei (GdP)

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