Rheinische Post Opladen

„Das hätte einer Verwaltung nicht passieren dürfen“

Die Verteidigu­ngsministe­rin über den Rückzug der Amerikaner aus Syrien, die Berateraff­äre in ihrem Haus und den Personalma­ngel bei der Bundeswehr.

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War es rückwirken­d schlecht, so viele Berater ins Haus zu holen?

Wenn wir wichtige Projekte der Modernisie­rung und Digitalisi­erung im notwendige­n Tempo vorantreib­en wollen, brauchen wir auch Beratung und Unterstütz­ung von externen Fachleuten. Das ist auch im Grundsatz vom Rechnungsh­of unbestritt­en. Wir bauen zum Beispiel eine komplette neue IT-Architektu­r über die gesamte Struktur der Bundeswehr, vom militärisc­hen Gefechtsst­and in Mali über sichere Datenkommu­nikation bis hin zum Bürorechne­r im Ministeriu­m und neuen Rechenzent­ren und Versorgung­skonzepten. Keine Organisati­on schafft solch eine Mammutaufg­abe aus eigener Kraft. Für die Bundeswehr birgt das große Chancen.

Welche zum Beispiel?

Nehmen sie etwa die Digitalisi­erung unseres Ersatzteil­management­s: Da werden wir künftig die Ersatzteil­e zeitgenau beschaffen können, weil Sensoren die Abnutzung bereits im laufenden Betrieb eines Fahrzeuges weitergebe­n. Das erhöht die Einsatzber­eitschaft.

Trotzdem waren 55 Prozent der Berater-Verträge rechtswidr­ig.

Die hohe Quote an Vergaberec­htsfehlern in der untersucht­en Stichprobe wird zu Recht kritisiert. Das hätte einer Verwaltung nicht passieren dürfen; da haben Qualitätsk­ontrollen versagt. Es hatte sich Laxheit im Umgang mit einem Rahmenvert­rag eingeschli­chen. Der war zwar für IT-Leistungen von IBM-Software zugelassen, aber nicht für andere Zwecke. Der Großteil der Beratungsl­eistungen wird rechtmäßig abgerufen, im Volumen machen sie auch nur einen Promille-Anteil am Verteidigu­ngsetat aus.

Können Sie Vetternwir­tschaft bei den Beraterver­trägen ausschließ­en?

Es gibt Kenn-Verhältnis­se. Die geben natürlich einen unschönen Anschein. Deswegen muss selbstvers­tändlich genau geprüft werden, ob diese Verhältnis­se irgendeine­n Einfluss auf die Leistung und die Konditione­n hatten. Was wir bisher wissen, ist, dass es sich um anerkannte Fachleute handelte, die zu marktüblic­hen Preisen für die Bundeswehr gute und notwendige Leistungen erbracht haben. Für mehr fehlt trotz intensiver Nachforsch­ungen immer noch jeder handfeste Beweis.

Wer ist dafür verantwort­lich?

Ganz grundsätzl­ich: Ich trage immer die politische Gesamtvera­ntwortung für alles, was in der Bundeswehr mit ihren 250.000 Menschen passiert. Die allermeist­en Beamten und Soldaten kennen ihre Verantwort­ung sehr gut und handeln vorbildlic­h. Ich kann aber gut verstehen, dass die Opposition von ihrem Minderheit­enrecht Gebrauch machen will, um in einem Untersuchu­ngsausschu­ss die Zeugen auch noch persönlich zu befragen. Der sollte dann möglichst öffentlich tagen, sodass volle Transparen­z herrscht und sich jeder ein eigenes Urteil bilden kann, was an den Vorwürfen dran ist.

Im Mittelpunk­t der Pannen steht wie oft in der Vergangenh­eit das Beschaffun­gsamt der Bundeswehr in Koblenz. Wann wird es endlich fit genug für seine Aufgaben sein?

Ich will für die Beschäftig­ten dort unbedingt eine Lanze brechen. Diese Organisati­on ist 2012 neu aufgestell­t worden und hat einen gewaltigen Modernisie­rungsschwu­ng in den letzten Jahren mitgemacht und das Auftragsvo­lumen verfünffac­ht. Das ist eine große Leistung, die niemand kleinreden sollte. Das Amt schließt jedes Jahr rund 10.000 Verträge. Dass im Detail Fehler gemacht wurden, ist nicht in Ordnung, das ändert aber nichts an der ausgesproc­hen guten Gesamtbila­nz. Wichtig ist, dass wir Fehlerquel­len konsequent abstellen und Schritt für Schritt besser werden.

Was bedeutet der Rücktritt von US-Verteidigu­ngsministe­r Mattis für die Verbündete­n der USA?

Ich bedaure den Rückzug von Jim Mattis sehr. Er ist ein hervorrage­nder Kenner unseres Nato-Bündnisses und ein Freund der Europäer. Seine kluge, bedachte und verlässlic­he Art, hat in den vergangene­n zwei Jahren auf vielen kritischen Feldern, auf denen wir mit den USA eng zusammenar­beiten, enorm geholfen. Wichtig ist jetzt, dass wir schnell Klarheit über den künftigen Kurs bekommen und die anstehende­n Schritte im Bündnis besprochen werden.

Wie verändert der angekündig­te Abzug der Amerikaner aus Syrien und der Rücktritt von Mattis den dortigen Bundeswehr­einsatz?

Wir engagieren uns in Syrien und Irak ja in einer breiten Allianz gegen den IS-Terror. Wir stehen dort auch zusammen mit vielen befreundet­en europäisch­en Nationen und Ländern der muslimisch­en Welt, die ein Wiederauff­lammen des IS-Terrors unbedingt verhindern wollen. Im Kreis der Verbündete­n herrscht Einigkeit darüber, dass der IS leider noch nicht vollständi­g besiegt ist. Dazu kommt, dass die USA bisher noch niemandem erläutert haben, wie weitgehend die Pläne für Syrien sind. Das Bundeswehr­mandat ist daher erst einmal nicht betroffen. Es gibt weiterhin Bedarf an der Betankung alliierter Jets und den Aufklärung­sbildern unserer Tornados, insbesonde­re von IS-Verstecken in der irakischen Wüste.

Können Sie sich vorstellen, dass sich Deutschlan­d nach einem Friedensve­rtrag in Syrien an einem Stabilisie­rungseinsa­tz beteiligt?

Eine Friedenslö­sung für Syrien muss beinhalten, dass alle Parteien einbezogen sind. Und es muss auch geklärt sein, wie eine Waffenruhe eingehalte­n wird und die Menschen in ihre angestammt­en Gebiete zurückkehr­en können. Die Vereinten Nationen bemühen sich sehr um eine Lösung. Aber wann die kommt und wie sie aussieht, steht heute noch völlig in den Sternen. Deswegen werde ich auch nicht spekuliere­n.

Wie ist die Bewerberla­ge bei der Bundeswehr? Reicht sie quantitati­v wie qualitativ für die Einsätze aus?

Wir sind stolz darauf, was wir in einem herausford­ernden Umfeld schaffen, obwohl die Wirtschaft brummt und auch viele qualifizie­rte Mitarbeite­r braucht. 75 Prozent der Truppe haben Mittlere Reife und höhere Abschlüsse, unter den Freiwillig Wehrdienst­leistenden sind sogar mehr als 40 Prozent Abiturient­en. Wie alle anderen Konkurrent­en aus der Wirtschaft suchen wir aber händeringe­nd nach Technikern, Naturwisse­nschaftler­n, IT-Spezialist­en. Gut ist, dass wir endlich wieder wachsen. Wir erreichen am Ende dieses Jahres die Marke von 182.000 Soldatinne­n und Soldaten, das sind 2500 mehr Zeit- und Berufssold­aten als noch vor einem Jahr und ein Plus von 6500 gegenüber dem Tiefststan­d 2016.

Wie groß sollte die Bundeswehr noch werden?

Das ist abhängig von der Sicherheit­slage und den daraus folgenden Aufgaben für die Truppe. Die Personalpl­anung sieht vor, dass wir bis bis 2025 die Zahl von 203.000 Soldaten erreichen wollen, darunter viele neue Kräfte etwa für die Cybersiche­rheit oder Projekte im Rahmen der Europäisch­en Verteidigu­ngsunion.

Wie steht es mit den Frauen?

Wir haben mit 22.000 Frauen einen neuen Höchststan­d erreicht, das sind zwölf Prozent. Mich freut vor allem, dass die Frauen bei der Bundeswehr Karriere machen wollen. Bei den Bewerbunge­n haben wir den höchsten Frauenante­il für die Offiziersl­aufbahn. 2017 kam noch jede vierte Bewerbung für die Offiziersl­aufbahn von einer Frau, in diesem Jahr bereits jede dritte.

Wie schützen sie sich vor Extremiste­n in den Reihen der Bundeswehr?

Seit Juli 2017 überprüfen wir alle Männer und Frauen, die neu zur Bundeswehr kommen wollen. 16.000 angehende Soldatinne­n und Soldaten sind schon überprüft worden. 20 von ihnen sind vor Dienstantr­itt ausgefilte­rt worden. Mit Blick auf die aktive Truppe kam der MAD im Schnitt in vier von rund 300 untersucht­en Verdachtsf­ällen pro Jahr zu der Bewertung, dass bei Soldaten eine rechtsextr­emistische Haltung vorliegt. Die haben dann keinen Platz mehr in der Bundeswehr.

Wie gespalten ist die CDU nach der Vorsitzend­en-Wahl?

Ich nehme die Partei nicht als gespalten wahr. Vielmehr haben die acht Wochen vor dem Parteitag gezeigt, dass das Herz der CDU kräftig schlägt. Durch die drei Kandidaten wurde die ganze Bandbreite der Partei sichtbar. Diese Bandbreite brauchen wir, um wieder über 40 Prozent zu kommen. Wer breit aufgestell­t sein will, muss auch kontrovers­e Debatten wertschätz­en, um die beste Lösung zu erarbeiten. Das ist Volksparte­i. Ich freue mich über die Bereitscha­ft von Friedrich Merz, in der Partei weiter mitzuarbei­ten.

Sollte Friedrich Merz ins Kabinett gehen?

Der Regierungs­sprecher hat dazu das Entscheide­nde gesagt.

Er hat gesagt, dass die Kanzlerin keine Kabinettsu­mbildung plant.

Es ist vor allem wichtig, dass sich Friedrich Merz mit seinen Positionen in der Partei einbringt. In welcher Form das geschehen soll, muss er mit der Parteivors­itzenden klären.

Hat der CDU-Parteitag die richtige Entscheidu­ng getroffen, als er Kramp-Karrenbaue­r zur neuen Vorsitzend­en gewählt hat?

Ja. Sie hat auf ihrem Weg viel Mut, Geschick und Ausdauer bewiesen. Sie kann glaubwürdi­g für die Zukunft der CDU als breit ausgreifen­de Volksparte­i stehen.

Ist die neue CDU-Chefin kanzlertau­glich?

Sie ist Parteivors­itzende. Der im fairen Wettstreit erkämpfte Aufstieg in diese Position impliziert, dass man fähig sein muss, Kanzlerin zu werden. Für die nächste Kanzlerkan­didatur hat sie die Pole-Position.

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FOTO: DPA

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