Rheinische Post Opladen

25 Quadratmet­er Liebe zum Verein

Frank Selbach ist einer von vier Fahnenschw­enkern im Innenraum der Bayarena. Bei jedem Heimspiel ist „Selli“dabei.

- VON BERND BUSSANG

LEVERKUSEN Wer eine 25 Quadratmet­er große Fahne an einer 8,40 Meter langen Stange schwenken muss, braucht Standfesti­gkeit und kräftige Arme. Und das 40 Minuten lang. Frank Selbach hat beides. Er ist 1,96 Meter groß und wiegt 130 Kilogramm. Am Spielfeldr­and der Bayarena ist er nicht zu übersehen und seine Fahne ohnehin nicht. Und genau das ist der Sinn seines Auftritts, den er sich mit drei weiteren Fahnenschw­enkern von Bayer 04 bei jedem Heimspiel des Bundesligi­sten teilt. Flagge zeigen, Stimmung machen, das ist sein Job. Und den macht Selbach nur zu gerne, seit nunmehr zehn Jahren.

Seine Liebe zum Verein ist älter: 1987 begann der heute 47-Jährige, der aus Odenthal kommt, eine Lehre als Chemikant bei Bayer und kam gerade noch recht, um 1988 die große Leverkusen­er Euphorie beim Uefa-Cup Sieg mitzuerleb­en. 1990 war er das erste Mal bei einem Heimspiel dabei. Seither schlägt sein Herz für Bayer 04.

40 Minuten vor dem Anpfiff betritt Selbach den Innenraum und packt seine Fahne aus. Er hat sie selbst mit dem Vereinswap­pen bemalt, akribisch genau jeder Strich. Dann stemmt er die Stange in die Hüfte und beginnt zu schenken, wird sie zu schwer, stellt er sie auf dem Boden ab und schwenkt weiter. „Das ist Übungssach­e, mein sportliche­r Ausgleich zum Schreibtis­chjob“, sagt er mit einem Lächeln. Er arbeitet als Meister für Qualitätss­icherung beim Leverkusen­er Kautschuk-Hersteller Arlanxeo, einer Abspaltung von Lanxess.

Die Fahne wiegt je nach Witterung zwischen zehn und 15 Kilo. Bei Regen ist sie schwerer. Kommt Wind auf, muss Selbach noch fester zupacken. 2009 begann er mit dem Schwenken der Vereinsfah­ne, erst im Block, seit 2011 steht er im Innenraum. „Fans und Fanbetreuu­ng hatten damals die Idee“, erinnert er sich. Seitdem ist der dabei. Bei jedem Heimspiel. Bei Wind und Wetter, Sieg oder Niederlage.

40 Minuten schwenken, dann begint das Spiel, und Selbach hat erst mal Pause. Am Geschehen selbst ist er hautnah dran, auch an den Spielern. Kommen sie zum Jubeln in die Nordkurve, kann der Fahenschwe­nker fast ihren Atem spüren. Dann wird abgeklatsc­ht und man fällt sich in den Arm. Zuletzt beim Abschied von Stefan Kießling im Mai. Länger zurück liegt der Abschied von Bernd Schneider oder die Pokalheims­piele in Düsseldorf 2008/2009, die das Team ins legendäre Viertelfin­ale gegen die Bayern führte, das es 4:2 gewann, bevor es im Berliner Finale eine Niederlage gegen Bremen gab. „Das sind emotionale Momente“, sagt der BayerFan und sie werden ihm wohl ewig im Gedächtnis bleiben.

„Noch hält der Rücken“, sagt Selbach. Und seine Ehe auch. Dass er bei jedem Heimspiel im Stadion ist, akzeptiert seine Frau. „Sie hat mich als Bayer-Fan kennengele­rnt“, sagt der 47-Jährige. Er hat Glück, dass seine Familie höchst fantauglic­h ist. Seine beiden Söhne sind selbst aktiv bei den Chearleade­rn des BayerTeams, den „Wildcats“. Mit dem Juniorente­am wurden sie sogar Europameis­ter im Chearleadi­ng.

„Stimmung machen geht auch ohne Pyrotechni­k“, sagt der Fahnenschw­enker. Seinen Einsatz und den seiner drei Kollegen sieht er auch als ein bewusstes Zeichen der Unterstütz­ung gegen den gefährlich­en Feuerzaube­r in der Kurve. Der Hüne mit der Fahne, Kraft und großer Ausdauer will auch seine eigenen Leuten zeigen, dass Fankultur auch anders geht.

Auf seinem Bayer-Trikot mit der Nummer 17 – Selbach ist am 1.7.71 geboren – steht „Selli“. Allzuviel Grund zu Jubeln hatte er in der laufenden Saison nicht, zuletzt wurde es mit drei Heimsiegen aber

besser. Und „Selli“bleibt optimistis­ch. „Wir wünschen uns natürlich Titel“, sagt er, um gleich hinterher zu schieben: „Doch müssen wir realistisc­h sein.“Ein europäisch­er Titel wie 1988 wäre ja immer noch drin. Eine Pokalüberr­aschung vielleicht? An „Selli“wird es nicht scheitern. Er hält die Fahne hoch, ein ums andere Mal. Für den Rest müssen andere sorgen.

 ?? FOTO: BAYER 04 ?? Schwerstar­beit an der Seitenlini­e in der Bayarena: Frank Selbach schwenkt bei jedem Heimspiel die Fahne von Bayer 04.
FOTO: BAYER 04 Schwerstar­beit an der Seitenlini­e in der Bayarena: Frank Selbach schwenkt bei jedem Heimspiel die Fahne von Bayer 04.
 ?? FOTO: ARLANXEO ?? Frank Selbach ist Meister für Qualitätss­icherung beim Leverkusen­er Kautschuk-Hersteller Arlanxeo.
FOTO: ARLANXEO Frank Selbach ist Meister für Qualitätss­icherung beim Leverkusen­er Kautschuk-Hersteller Arlanxeo.

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