Die trauernde Seele wieder auftanken
Gerade ältere Menschen bleiben häufig allein mit ihren Gefühlen, wenn ein Angehöriger stirbt. Der Hospizverein macht ein Angebot.
LEVERKUSEN Tankstelle – kennt man. Sprit für den Wagen, Snacks für den kleinen Hunger. Am 8. Januar gibt es in der Stadt noch eine Tankstelle. Der anderen Art. Warmes für den Körper, Impulse für die Seele. So umschreibt der Hospizverein Leverkusen sein neues Angebot für Trauernde in der Unterzeile, die unter der Überschrift „Tankstelle für Trauernde“steht. „Ursprünglich wollten wir dafür ein Häuschen auf dem Friedhof Manfort haben, das hat aber nicht geklappt. Jetzt bieten wir die Tankstelle nebenan in der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung an“, berichtet Gisela Theis vom Verein, der sich seit 1997 um die Begleitung von Sterbenden, aber auch von Trauenden kümmert.
Theis hatte auch die Ursprungsidee zum neuen niederschwelligen Angebot: „Auf dem Manforter Friedhof sind mir viele Menschen aufgefallen, die ganz allein auf einer Bank saßen“, erzählt sie. „Hier wollten wir ein Angebot schaffen. Denn oft trauen sich Trauernde nicht zu sagen, dass sie immer noch trauern, sagen stattdessen: Ich trauere wieder.“Das Thema Trauer sei ein gesellschaftliches Tabu-Thema. Mit dem Trauern um einen lieben Menschen solle man am besten nach sechs Wochen fertig sein und dann weitermachen mit dem Leben. „Aber nach sechs Wochen ist die Trauerarbeit noch nicht getan“, betont Theis. „Gerade die Sonntage sind die schlimmsten Tage. Die Geschäfte sind geschlossen, zu Veranstaltungen mag man ungern alleine gehen und den Kindern und Enkeln mag man sich auch nicht jeden Sonntag aufdrängen, weil das oft der einzige Tag ist, an dem die Familien beisammen sein kann.“
Deswegen lädt der Hospizverein Trauernde regelmäßig in Manfort, Opladen und Schlebusch zum Sonntagsfrühstück ein, an dem meist um die 20 Gäste teilnehmen, gemeinsam frühstücken, sich austauschen. Auch hier führt der Verein ab Januar eine kleine Neuerung ein. „Beim Sonntagsfrühstück jeden ersten Sonntag im Monat in Schlebusch wollen wir das Thema Trauer noch mehr in den Fokus stellen, damit sich Leute, die sich noch stärker mit dem Thema auseinandersetzen wollen, Raum dafür haben“, erläutert Theis.
Früher, erzählt sie, sei Trauer in den Familien aufgefangen worden, heute seien die Menschen einsamer, weil sie keine Familie haben. Und weil sie einsamer sind, werde eben auch alleine getrauert. „Abschiednehmen lauft heute viel mehr auf Distanz“, bemerkt Theis. Sie hat allerdings auch festgestellt, dass sich Blockaden bei dem Thema allmählich lösen, dass die „Trauerkultur sich ändert. Menschen, die trauern, verstecken sich nicht mehr so“, erzählt die Öffentlichkeitsarbeiterin, die seit 2003 im Verein aktiv ist. Ihre Motivation, sich zu engagieren: „Ich habe verschiedene Todesfälle erlebt, einige waren gut, andere miserabel begleitet. Hier wollte ich helfen.“Festgestellt hat sie, dass „bei einem Sterbenden zu sein, eine unglaubliche Lehrstunde über sich selbst ist“. Wichtig bei der Aufgabe, die der Verein verrichte, sei, sich abgrenzen zu lernen.
Bei der Tankstelle für Trauernde wiederum geht es für die Besucher um das Gegenteil: sich zu öffnen. „Hier wollen wir trauernden Menschen das Gefühl geben: Hier darf ich sein, wie ich bin“, betont Gisela Theis. Oder kurz: Es geht ums seelische Auftanken mitten im Alltag.