Ein Verein – unvereint
Sportlich ist der 1. FC Köln auf Aufstiegskurs. Doch im Verein rumort es. Der Vorstand steht in der Kritik, 2019 wird neu gewählt. Einblicke in einen Konflikt. Die Entwicklung beim 1. FC Köln
KÖLN „E Jeföhl dat verbingk – FC Kölle“, singen sie in Köln in ihrer Hymne vor jedem Heimspiel. Fans, Mitglieder, Sponsoren, Spieler und Offizielle sind sich einig: Ein ganz besonderes „Jeföhl“umgibt ihren Verein. Doch das besungene Zusammengehörigkeitsgefühl ist schon seit längerem kaum mehr als ein Lippenbekenntnis. Beispiele gibt es viele: Da sind die „Vorstand raus“-Banner im Unterrang der Südkurve, der Heimat des harten FC-Fankerns, da ist aber auch das „Ultras raus“-Banner im Oberrang darüber. Da werden Vorstandsmitglieder beleidigt, aber auch Vorstandskritiker öffentlich attackiert.
Beim FC geht es seit mindestens zwei Jahren zur Sache. Es geht um Kontrolle und Macht. Es geht um Investoren aus dem Ausland und einen Stadion-Neubau außerhalb der Stadt. Es geht um Gewalt und Pyrotechnik. Um „Die“gegen „Wir“. Und um die Frage, wie es gemeinsam weitergehen kann. Oder ob es überhaupt weitergehen soll
Dabei beginnt alles harmonisch: Im April 2012 wird Werner Spinner mit überwältigender Mehrheit von über 91 Prozent zum neuen Präsidenten gewählt. Ihm zur Seite stehen Karnevalspräsident Markus Ritterbach und Ex-Torwart Harald „Toni“Schumacher. „Verein vereinen“, lautet damals der Wahlspruch. Ultras, Fans, Sponsoren, alle stärken dem Trio den Rücken.
Sechs Jahre später ist die Stimmung gekippt. Im Oktober 2018 kommen die Mitglieder erneut zusammen. Gewählt wird ein neuer Mitgliederrat – das Gremium, das (unter anderem) den Vorstand kontrollieren soll. In dem an diesem Abend neugewählten Gremium gelten zehn von zwölf Personen als Kritiker der Führung. Die Opposition sieht sich deshalb als Gewinner.
Gesprächstermin auf der FC-Geschäftsstelle mit Schumacher (64) und Ritterbach (55). Präsident Spinner (70) weilt zum Zeitpunkt des Treffens in Asien. Die ersten Fragen drängen sich wegen der Entwicklung regelrecht auf: Was ist zwischen 2012 und 2018 passiert? Woher kommt der Stimmungsumschwung?
Toni Schumacher, schon als Spieler für seine Emotionen bekannt, ist sofort auf Temperatur. „Wir sprechen zu viel über eine Minderheit“, ruft der einstige Nationaltorhüter energisch. Er selbst werde angefeindet, bekomme Hass-Mails. „Die Stimmung gegen uns wird vor allem von den Unterstützern jener geschürt, die persönlich betroffen sind, weil wir Verursacher von DFB-Strafen in Regress nehmen.“
Tatsächlich gibt der 1. FC Köln seit einigen Jahren die vom DFB-Sportgericht gegen ihn verhängten Geldstrafen an identifizierte Übeltäter weiter. 14.000 Euro sollen beispielsweise zwei junge Männer Anfang 20 zahlen, die beim Derby gegen Borussia Mönchengladbach im Januar 2018 ein Banner aus dem Gästeblock entwendet haben und damit quer über den Rasen gerannt sind. „Das war kein dummer Jungenstreich“, betont Ritterbach. Für den Verein ist die Aktion ein Sicherheitsrisiko, für die Ultras ein Triumph.
„Die Ultras“sollte man auch in Köln differenziert betrachten. Die Szene besteht aus mehreren Gruppen mit hunderten Mitgliedern. Sie sammeln zu Weihnachten Essen für bedürftige Kinder oder spenden Kleider für die Jugendhilfe. Sie organisieren begeisternde Choreographien, reisen dem Verein zu allen Spielen hinterher und sind der Stimmungsmotor im Stadion.
Die Liste ihrer Verfehlungen ist jedoch mindestens ebenso lang: ein Platzsturm beim Derby 2015 in Gladbach, Leuchtraketen auf gegnerische Fans beim Europapokalspiel 2017 in Belgrad oder ein Angriff auf einen Fanbus von Union Berlin im August 2018 sorgen für Aufsehen. Der Verein reagiert mit Regressforderungen, mit Stadionverboten und mit Vereinsausschlüssen.
Auf der besagten Mitgliederversammlung im Oktober 2018 sind es aber nicht nur Ultras, die Kritik am Trio Spinner, Ritterbach und Schumacher äußern. „Ihr Versuch, den Verein zu vereinen, ist gescheitert“, sagt ein Mitglied, ein anderes: „Ein schlechtes Verhältnis kommt von schlechtem Verhalten – von beiden Seiten.“
Drei Themen kommen immer wieder zur Sprache, wenn man mit den Vorstandskritikern spricht.
Zum Ersten ist da die Überlegung, das städtische Stadion in Köln-Müngersdorf mit seinen 50.000 Plätzen zu verlassen, um in eine eigene Neubau-Arena außerhalb der Stadt zu ziehen. Weil für die aktuelle Spielstätte millionenschwere Mietkosten anfallen, steht der Vorstand der Idee lange Zeit offen gegenüber – was wiederum bei vielen traditionsbewussten FC-Fans für Kopfschütteln sorgt. Mittlerweile positioniert sich Vize-Präsident Schumacher klar für „einen Ausbau in Müngersdorf auf 60.000 bis 75.000“. Aus Lärmschutzgründen müsste das Stadion dann jedoch ein verschließbares Dach bekommen. Der Ausbau würde teuer werden. Weil Köln mit dem jetzigen Stadion bei der EM 2024 Spielort wird, ist das Thema vorerst auf Eis gelegt.
Zweiter Streitpunkt ist der Einstieg von Investoren in die Kapitalgesellschaft des 1. FC Köln, in der die Profi-Abteilung organisiert ist. Im Juli 2017 gründet sich die Initiative „100% FC – Dein Verein“. Ihr Ziel: Eine Satzungsänderung, um den Verkauf von Anteilen an Investoren vom Votum der Mitglieder abhängig zu machen. Bis zu 25 Prozent solcher Anteile kann die Vereinsführung aktuell ohne Abstimmung veräußern. Immer wieder machen Gerüchte um einen „Partner“aus China die Runde, diese werden aber vom Vorstand stets bestritten.
Auch deshalb steht die Vereinsführung der Initiative und ihrem Änderungsantrag von Beginn an kritisch gegenüber. „Wir betrachten den Antrag als Misstrauen. Und das ist nicht nur meine Überzeugung, sondern die des gesamten Vorstandes und der Geschäftsführung“, sagt Präsident Spinner im August 2017. Bis zur entscheidenden Mitgliederversammlung rund zwei Monate später wird er solche Vorwürfe mehrmals wiederholen. Für die Versammlung selbst lobt der Verein erstmals eine Anwesenheitsprämie aus: einen Sonder-Kapuzenpullover für jeden, der den Weg in die Lanxess-Arena seit 2011
„Wir sprechen zu viel über eine Minderheit“Toni Schumacher Vize-Präsident
28.04.2018 | Abstieg ist besiegelt