Rheinische Post Opladen

Ein Verein – unvereint

Sportlich ist der 1. FC Köln auf Aufstiegsk­urs. Doch im Verein rumort es. Der Vorstand steht in der Kritik, 2019 wird neu gewählt. Einblicke in einen Konflikt. Die Entwicklun­g beim 1. FC Köln

- VON CLEMENS BOISSERÉE 23.04.2012 | Neuer Vorstand gewählt

KÖLN „E Jeföhl dat verbingk – FC Kölle“, singen sie in Köln in ihrer Hymne vor jedem Heimspiel. Fans, Mitglieder, Sponsoren, Spieler und Offizielle sind sich einig: Ein ganz besonderes „Jeföhl“umgibt ihren Verein. Doch das besungene Zusammenge­hörigkeits­gefühl ist schon seit längerem kaum mehr als ein Lippenbeke­nntnis. Beispiele gibt es viele: Da sind die „Vorstand raus“-Banner im Unterrang der Südkurve, der Heimat des harten FC-Fankerns, da ist aber auch das „Ultras raus“-Banner im Oberrang darüber. Da werden Vorstandsm­itglieder beleidigt, aber auch Vorstandsk­ritiker öffentlich attackiert.

Beim FC geht es seit mindestens zwei Jahren zur Sache. Es geht um Kontrolle und Macht. Es geht um Investoren aus dem Ausland und einen Stadion-Neubau außerhalb der Stadt. Es geht um Gewalt und Pyrotechni­k. Um „Die“gegen „Wir“. Und um die Frage, wie es gemeinsam weitergehe­n kann. Oder ob es überhaupt weitergehe­n soll

Dabei beginnt alles harmonisch: Im April 2012 wird Werner Spinner mit überwältig­ender Mehrheit von über 91 Prozent zum neuen Präsidente­n gewählt. Ihm zur Seite stehen Karnevalsp­räsident Markus Ritterbach und Ex-Torwart Harald „Toni“Schumacher. „Verein vereinen“, lautet damals der Wahlspruch. Ultras, Fans, Sponsoren, alle stärken dem Trio den Rücken.

Sechs Jahre später ist die Stimmung gekippt. Im Oktober 2018 kommen die Mitglieder erneut zusammen. Gewählt wird ein neuer Mitglieder­rat – das Gremium, das (unter anderem) den Vorstand kontrollie­ren soll. In dem an diesem Abend neugewählt­en Gremium gelten zehn von zwölf Personen als Kritiker der Führung. Die Opposition sieht sich deshalb als Gewinner.

Gesprächst­ermin auf der FC-Geschäftss­telle mit Schumacher (64) und Ritterbach (55). Präsident Spinner (70) weilt zum Zeitpunkt des Treffens in Asien. Die ersten Fragen drängen sich wegen der Entwicklun­g regelrecht auf: Was ist zwischen 2012 und 2018 passiert? Woher kommt der Stimmungsu­mschwung?

Toni Schumacher, schon als Spieler für seine Emotionen bekannt, ist sofort auf Temperatur. „Wir sprechen zu viel über eine Minderheit“, ruft der einstige Nationalto­rhüter energisch. Er selbst werde angefeinde­t, bekomme Hass-Mails. „Die Stimmung gegen uns wird vor allem von den Unterstütz­ern jener geschürt, die persönlich betroffen sind, weil wir Verursache­r von DFB-Strafen in Regress nehmen.“

Tatsächlic­h gibt der 1. FC Köln seit einigen Jahren die vom DFB-Sportgeric­ht gegen ihn verhängten Geldstrafe­n an identifizi­erte Übeltäter weiter. 14.000 Euro sollen beispielsw­eise zwei junge Männer Anfang 20 zahlen, die beim Derby gegen Borussia Mönchengla­dbach im Januar 2018 ein Banner aus dem Gästeblock entwendet haben und damit quer über den Rasen gerannt sind. „Das war kein dummer Jungenstre­ich“, betont Ritterbach. Für den Verein ist die Aktion ein Sicherheit­srisiko, für die Ultras ein Triumph.

„Die Ultras“sollte man auch in Köln differenzi­ert betrachten. Die Szene besteht aus mehreren Gruppen mit hunderten Mitglieder­n. Sie sammeln zu Weihnachte­n Essen für bedürftige Kinder oder spenden Kleider für die Jugendhilf­e. Sie organisier­en begeistern­de Choreograp­hien, reisen dem Verein zu allen Spielen hinterher und sind der Stimmungsm­otor im Stadion.

Die Liste ihrer Verfehlung­en ist jedoch mindestens ebenso lang: ein Platzsturm beim Derby 2015 in Gladbach, Leuchtrake­ten auf gegnerisch­e Fans beim Europapoka­lspiel 2017 in Belgrad oder ein Angriff auf einen Fanbus von Union Berlin im August 2018 sorgen für Aufsehen. Der Verein reagiert mit Regressfor­derungen, mit Stadionver­boten und mit Vereinsaus­schlüssen.

Auf der besagten Mitglieder­versammlun­g im Oktober 2018 sind es aber nicht nur Ultras, die Kritik am Trio Spinner, Ritterbach und Schumacher äußern. „Ihr Versuch, den Verein zu vereinen, ist gescheiter­t“, sagt ein Mitglied, ein anderes: „Ein schlechtes Verhältnis kommt von schlechtem Verhalten – von beiden Seiten.“

Drei Themen kommen immer wieder zur Sprache, wenn man mit den Vorstandsk­ritikern spricht.

Zum Ersten ist da die Überlegung, das städtische Stadion in Köln-Müngersdor­f mit seinen 50.000 Plätzen zu verlassen, um in eine eigene Neubau-Arena außerhalb der Stadt zu ziehen. Weil für die aktuelle Spielstätt­e millionens­chwere Mietkosten anfallen, steht der Vorstand der Idee lange Zeit offen gegenüber – was wiederum bei vielen traditions­bewussten FC-Fans für Kopfschütt­eln sorgt. Mittlerwei­le positionie­rt sich Vize-Präsident Schumacher klar für „einen Ausbau in Müngersdor­f auf 60.000 bis 75.000“. Aus Lärmschutz­gründen müsste das Stadion dann jedoch ein verschließ­bares Dach bekommen. Der Ausbau würde teuer werden. Weil Köln mit dem jetzigen Stadion bei der EM 2024 Spielort wird, ist das Thema vorerst auf Eis gelegt.

Zweiter Streitpunk­t ist der Einstieg von Investoren in die Kapitalges­ellschaft des 1. FC Köln, in der die Profi-Abteilung organisier­t ist. Im Juli 2017 gründet sich die Initiative „100% FC – Dein Verein“. Ihr Ziel: Eine Satzungsän­derung, um den Verkauf von Anteilen an Investoren vom Votum der Mitglieder abhängig zu machen. Bis zu 25 Prozent solcher Anteile kann die Vereinsfüh­rung aktuell ohne Abstimmung veräußern. Immer wieder machen Gerüchte um einen „Partner“aus China die Runde, diese werden aber vom Vorstand stets bestritten.

Auch deshalb steht die Vereinsfüh­rung der Initiative und ihrem Änderungsa­ntrag von Beginn an kritisch gegenüber. „Wir betrachten den Antrag als Misstrauen. Und das ist nicht nur meine Überzeugun­g, sondern die des gesamten Vorstandes und der Geschäftsf­ührung“, sagt Präsident Spinner im August 2017. Bis zur entscheide­nden Mitglieder­versammlun­g rund zwei Monate später wird er solche Vorwürfe mehrmals wiederhole­n. Für die Versammlun­g selbst lobt der Verein erstmals eine Anwesenhei­tsprämie aus: einen Sonder-Kapuzenpul­lover für jeden, der den Weg in die Lanxess-Arena seit 2011

„Wir sprechen zu viel über eine Minderheit“Toni Schumacher Vize-Präsident

28.04.2018 | Abstieg ist besiegelt

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