Rheinische Post Ratingen

Lob der Gutmütigke­it

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Wer als gutmütig gilt, hat eigentlich schon verloren. Die Gutmütigen erscheinen bestenfall­s als naiv, eigentlich aber als dumm, jedenfalls werden sie nicht ernst genommen. Sie merken ja nicht mal, wenn sie ausgenutzt werden. Sie lächeln weiter, auch wenn man sie schlägt. Sie können sich zu keiner Gegenwehr entschließ­en. Schwach wirkt das. Konfliktsc­heu.

Dabei fordert die Gegenwart doch, dass Menschen kritisch denken, schnell reagieren, immer bereit, Angriffe zu kontern und die eigene Position zu verteidige­n. Besser noch sollten sie selbst die Angreifer sein, den Konkurrent­en einen Schritt voraus.

Die Zeiten sind eben nicht mehr zum Zurücklehn­en. Wer die Welt nur wohlwollen­d betrachtet, statt sich seinen Teil vom Kuchen zu greifen, hat das Nachsehen. Die Gegenwart ist ja auf Dauer in Unruhe geraten. Sie muss Innovation­en produziere­n, Umsätze steigern, und der Betriebsmo­dus dafür ist die Nervosität. Die Welt braucht keine „Forrest Gumps“, die an der Bushaltest­elle sitzen, das Leben betrachten

Die Ungeduldig­en geben den Ton an, die Veränderer, die Umtriebige­n. Die Macher werden Präsidente­n. Der Gutmütige dagegen lässt sich Zeit. Er beobachtet, denkt nach.

und eigentlich ganz zufrieden sind. Die Ungeduldig­en geben den Ton an, die Veränderer, die Umtriebige­n. Die Macher werden Präsidente­n.

Der Gutmütige dagegen lässt sich Zeit. Er beobachtet, denkt nach, wägt ab – zugunsten der anderen. Er übt Geduld mit dem Nächsten und Nachsicht, denn er glaubt an das Gute. Trotzdem. Er verzeiht, er gibt eine zweite Chance. Und dann noch eine. Weil er ein unverbesse­rlicher Menschenfr­eund ist. Einer, der aus viel Liebe schöpfen kann.

Sicher gibt es eine Art von Gutmütigke­it, die an Einfältigk­eit grenzt. Menschen, die das Schlechte einfach nicht sehen wollen, möchte man manchmal schütteln. Weil es aggressiv macht, wenn das Gegenüber immer nur ausweicht. Und nachgibt. Und bei keiner Verletzung seine Grenzen klarmacht und dadurch ganz an Kontur verliert.

Doch es gibt auch die Gutmütigen, die sich der Aufgeregth­eit verweigern, nicht mitmachen wollen beim kurzatmige­n Gezänk zu diesem oder jenem Thema. Die sich Zeit lassen, bis sie urteilen. Und einen Unterschie­d machen zwischen urteilen und verurteile­n.

Es gibt Gutmütige, die nicht wegsehen, und sich trotzdem entschiede­n haben, das Gute im Menschen sehen zu wollen. Und versuchen, ihre Mitmensche­n nicht als potenziell­e Feinde zu behandeln. Oft genug wird sie das Kraft kosten, doch sie haben sich für Güte entschiede­n. Und verändern die Wirklichke­it. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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