Rheinische Post Ratingen

„Ich bin guter Dinge, dass Eberl in Gladbach bleibt“

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MÖNCHENGLA­DBACH Der frühere Bundestrai­ner Berti Vogts (70) hat nach dem Aus von Jürgen Klinsmann als Trainer des US-Teams seinen Berater-Job beim US-Verband auf Eis gelegt. Die Bundesliga und „seine“Borussia Mönchengla­dbach hat er aber nach wie vor im Blick.

Herr Vogts, Borussia Mönchengla­dbach spielt morgen gegen den Aufsteiger RB Leipzig. Die Leipziger Fans wurden zuletzt in Dortmund attackiert, insgesamt wird RB viel Antipathie entgegenge­bracht. Können Sie das nachvollzi­ehen?

VOGTS Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Es gibt einen guten Plan dort. Ralf Rangnick hat eine klare Strategie, er holt fast nur Spieler unter 23 Jahren. Das gefällt mir, es ist besser, als für viel Geld einen 28-Jährigen zu holen. Wenn man junge Spieler holt, kann man sie entwickeln und später auch verkaufen – das ist für mich eine vernünftig­e Strategie. Und ich freue mich für die Stadt Leipzig, dass es dort nun eine tolle Mannschaft gibt mit einem sehr guten Sponsor. Jeder Klub in der Bundesliga wäre happy, einen solchen Topsponsor zu haben.

Trotzdem sagen viele: Das macht den Fußball kaputt.

VOGTS Das sehe ich nicht so. Wir haben doch alle immer davon gesprochen, dass es im Osten mal eine schlagkräf­tige Mannschaft geben soll. Die ist nun da – und jetzt ist sie so stark, dass es Einigen offenbar zu viel ist. Jetzt heißt es: Geld beherrscht den Fußball. Aber es ist im heutigen Fußball nun mal so, dass es große Sponsoren gibt. Das ist auch bei Klubs wie Bayern München oder Dortmund so. Auch die haben größere finanziell­e Möglichkei­ten als andere Klubs. Ich kenne das noch aus meiner Profi-Zeit. Wir in Gladbach wussten doch alle, dass es bei den Bayern mehr zu verdienen gab, weil die Rahmenbedi­ngungen andere waren. Aber es gab keinen Neid. Nur den Ehrgeiz, sie trotzdem sportlich zu besiegen. Ich hoffe, das ist auch am Sonntag so.

Sie gehen davon aus, dass sich die Gladbach-Fans anders verhalten als die des BVB? Die haben Leipzig-Fans mit Flaschen beworfen.

VOGTS Ich glaube und hoffe nicht, dass sich Borussias Fans so verhalten wie die in Dortmund. Ich finde es beängstige­nd, wenn man solche Bilder im Zusammenha­ng mit Fußball sieht. So etwas hat in unseren Stadien nichts verloren. Wir sprechen da nicht über Fans, sondern über Kriminelle. Und die will keiner haben, sie bewerfen unseren schönen Sport mit Schmutz. Ich bin mir aber sicher: Unsere Fans werden Borussia unterstütz­en, aber sie werden unseren Gast respektier­en.

Respektier­en ist ein gutes Stichwort. Der FC Bayern will auch respektvol­l mit der Personalie Max Eberl umgehen, der als Sportdirek­tor beim FC Bayern im Gespräch ist. Glauben Sie, dass er Gladbach verlassen wird?

VOGTS Ich habe damals auch dem Ruf des Geldes widerstand­en, obwohl ich das Drei- bis Fünffache hätte verdienen können, und bin für immer Borusse geblieben. Ich hoffe für die Borussia, dass Max Eberl Borusse bleibt. Hier in Gladbach ist er wer, in München wäre er einer von vielen. Max Eberl weiß genau, was er bei Borussia hat. Man sollte ihm von Seiten der Borussia nun auch nicht jede Tür aufmachen und sagen, er kann gehen, wenn er will. Im Fußball sollte man sicherlich niemals nie sagen. Ich glaube aber, dass er mit Borussia noch viel vor hat und seine Aufgabe hier für noch nicht beendet ansieht. Darum bin ich guter Dinge, dass er bleibt.

Kann man ,Nein‘ sagen, wenn der FC Bayern ruft?

VOGTS Es kommt darauf an, wie man gestrickt ist. Wenn man unbedingt bei den Großen mitmachen will, muss man den Weg gehen. Doch man darf nicht vergessen, dass der Druck dort Tag für Tag riesengroß ist. Druck hat man überall, doch die Medienland­schaft in München ist eine andere als in Gladbach. Aber wenn man den Fußball liebt und tagtäglich Akzente setzen will für einen Klub, dann sollte man sich für Gladbach entscheide­n.

Sollte Borussia am Sonntag Leipzig besiegen, wäre das möglicherw­eise eine Vorentsche­idung in Sachen Meistersch­aft.

VOGTS Die Meistersch­aft ist schon entschiede­n. Ich glaube nicht, dass Leipzig in Gladbach etwas holen wird. Borussia wird RB klar beherrsche­n. Es ist ein klarer Fortschrit­t unter dem neuen Trainer Dieter Hecking zu sehen. Es freut mich, dass es so ist und es ist auch ein Argument für die Borussen, alles dafür zu tun, dass Max Eberl bleibt. Er hat wieder die richtige Entscheidu­ng getroffen. Die Bayern sind und bleiben Champion, daher geht es nur darum, wer Zweiter wird und wer in die Champions League kommt. Leipzig? Hoffenheim? Dortmund vielleicht noch? Das Rennen um die Plätze hinter den Bayern ist sehr spannend.

Wird Bayern mit Carlo Ancelotti die Champions League gewinnen?

VOGTS Ich hoffe es für den deutschen Fußball. Und ich würde es Ancelotti gönnen. Ich mag ihn als Trainertyp, auch wenn er oft in der Kritik steht. Er gibt den Spielern viele Freiheiten, und sie spielen einen total anderen Fußball. Mit gefällt dieser besser als der, den die Bayern unter Pep Guardiola gespielt haben. Dieser Ballbesitz­fußball ist nicht so meine Sache. Das schnelle Umschalten von der Defensive auf Offensive, das die Bayern unter Ancelotti praktizier­en, gefällt mir besser.

Kommen auch klassische Spielertyp­en wie Mittelstür­mer und Verteidige­r der alten Schule wieder in Mode?

VOGTS Wenn man sich in den anderen Ligen umschaut, wird deutlich: Ja, es braucht wieder robustere Spieler, vorne wie hinten. Es geht heute um Kleinigkei­ten – vor allem aber um die entscheide­nden Zweikämpfe. Wenn man 70 Prozent der Zweikämpfe gewinnt, den einen aber nicht, dann verliert man eben Spiele wie nun Dortmund in Lissabon oder auch Gladbach gegen Florenz.

Also gilt es, das Richtige im richtigen Moment tun.

VOGTS Es gibt im Fußball keine Jury, die eine B-Note vergibt. Das gibt es im Eiskunstla­uf, aber nicht im Fußball. Es geht um Tore. Und wer die macht, macht alles richtig. Trotzdem: Dortmund hat nach wie vor gute Chancen, die nächste Runde zu erreichen. Und auch Gladbach. Das 0:1 war schon sehr ärgerlich. Wenn man solche Chancen in Gladbach hatte, wird es die auch in Florenz geben – man muss sie da nur nutzen.

Was kann Gladbach noch erreichen?

VOGTS Ich träume immer noch davon, dass ich im Mai in Berlin sitze und die Borussen im Finale des DFB-Pokals den Cup gewinnen sehe. Es wäre für mich sehr wichtig, dass die Borussia mal wieder einen Titel holt, und der Weg über den Pokal ist nun mal der kürzeste dahin. Ob das Team in der Bundesliga noch Anschluss an die Europa-Plätze findet, muss man abwarten. Es ist dem Team aber zuzutrauen. Mit Dieter Hecking ist wieder Ruhe eingekehrt, und jeder Spieler weiß wieder genau, was er auf dem Platz zu tun hat. Das fehlte vorher. Wenn Dieter Hecking weiter so arbeitet, darf man gespannt sein, was noch passiert. DAS GESPRÄCH FÜHRTE KARSTEN KELLERMANN

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