Barack Obama, Edelfan
Und plötzlich war die große Weltpolitik in dieser Woche im beschaulichen Darmstadt gelandet. Dem Hessischen Rundfunk sei Dank. Die Kollegen hatten nämlich recherchiert, dass Fußball-Bundesligist SV Darmstadt 98 der einzige Verein aus den europäischen Top-Ligen sei, dem der ehemalige US-Präsident Barack Obama über den Kurznachrichtendienst Twitter folgt. Hammer, oder? Also, wenn diese Nachricht das Kopf-Kino nicht anwirft, welche dann?
Haben Sie nicht auch sofort das Bild vor Augen, wie Obama, damals noch in Amt und Würden, sich, sagen wir, im Dezember, samstagsmorgens um 9.30 Uhr in sein Büro im Weißen Haus heimlich eingeschlossen hat („Michelle, ich will jetzt nicht gestört werden, frühstückt heute mal ohne mich“), um am Laptop über einen illegalen, chinesischen Internet-Stream zu verfolgen, wie sein Lieblingsverein unglücklich gegen den FC Bayern mit 0:1 verliert? Und wie hat er es nur geschafft, nach den vielen Niederlagen seiner Lilien trotzdem objektiv und emotionslos seinem Hauptberuf nachzugehen? Sein Nachfolger Donald Trump schafft das ja nicht mal einen Tag lang, und von ihm ist
Der Ex-Präsident soll Fan von Darmstadt 98 sein. Die schöne Geschichte hat leider einen Haken. Aber die Bilder im Kopf, die sie auslöst, machen trotzdem Spaß.
nicht bekannt, Darmstadt-Fan zu sein. Oder HSV-Fan.
In jedem Fall elektrisierte die Kenntnisnahme vom wohl namhaftesten Anhänger Darmstadt umgehend. US-Profi Terrence Boyd richtete eine Videobotschaft an seinen berühmten Landsmann. Ein Trikot mit der Nummer 98 liege bereit. „See you at the Bölle“, sagte Boyd und legte damit nahe, dass nicht nur ein Trikot, sondern auch zwei Eintrittskarten für die Haupttribüne im überholtesten Stadion der Ersten Liga auf Abholung durch Obama warten. Trainer Torsten Frings lud Obama später auch ganz offiziell zu einem Spiel ein („Er soll früh Bescheid sagen, damit wir die Sicherheitsvorkehrungen treffen können“), während sich jenseits des Atlantiks die „Washington Post“fragte, warum Obama nur einem so „furchtbar schlechten Team“folge.
Die Geschichte mit Darmstadts prominentem Edelfan hat nur einen Haken: Obamas Twitter-Account folgt nämlich nicht nur dem von Darmstadt, sondern auch 631.000 anderen Twitter-Nutzern. Dass ihm da der ein oder andere Lilien-Tweet durchgeht, und dass er vielleicht gar nicht weiß, wer Darmstadt 98 ist, scheint zumindest denkbar. Obama selbst hat sich bislang nicht zu dem Thema geäußert. Er verbringt inzwischen aber auch viel Zeit beim Kitesurfen in der Karibik.
Was bleibt, ist das Kino im Kopf. Bilder wie das vom schüchternen Darmstadt-Fan, der Obama auf der Haupttribüne anstupst und sagt: „Herr Obama, könnten Sie und Ihre Frau mich kurz auf meinen Platz durchlassen?“Und Obama steht dann auf, einen Vereinsschal um die Schultern, und sagt: „Yes, we can!“ Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de