Rheinische Post Ratingen

So war der Karneval in Ratingen früher

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Der Blick zurück ist gerne mal rosa umflort – ob er von den Alt68ern, den Jecken oder auch den Ratinger Karnevalis­ten getan wird. Also: Es gab an den tollen Tagen tol- lere Feste, weniger Schnicksch­nack, vielleicht ein bisschen mehr Alkohol im Saal, aber entscheide­nd weniger Umdrehunge­n in Kinderköpf­en auf Ratinger Straßen. Und was die Mottos (Duden-korrekt gesagt) betrifft, da haben die Ratinger Karnevalsv­erantwortl­ichen bis in die 30er Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts einen beständige­n Eiertanz zwischen Mundart und Hochdeutsc­h und Gereimtem mit Knubbelen gewählt. Doch immer obsiegte rheinische­s Gemüt.

Die Karnevalsg­esellschaf­ten hatten sich aus den Brunnen-Gemeinscha­ften entwickelt, die rund um die von ihnen gehüteten Wasserstel­len allerlei Frohsinn entfachten. Und überhaupt, siehe oben: Rheinisch setzt sich durch. Selbst, wenn es immer wieder Zeitgenoss­en gibt, die da „dem Karneval entfliehen“und die „nicht auf Knopfdruck fröhlich sein wollen“. Was man beim Lachen im Keller auch nicht sein kann. Die Jecken wiederum lassen sie gewähren.

Vor den 30er Jahren schwangen sich die Ratinger noch per Straßenbah­n auf nach Düsseldorf, um dort zu feiern. Und so machte die Ratinger Zeitung zornig eine Rechnung auf, nach der angenommen­e 2000 „fahnenflüc­htige“Feiernde bei einer solchen Aktion für den Spaß in der Nachbarsch­aft hochgerech­net 4000 Mark – inklusive des Fahrgelds – verballert hätten, mit denen man sehr wohl etwas Zugmäßiges auf die Beine hätte bringen können.

1935 gab es dann ein Karnevalsk­omitee, das Prinzenpaa­r Heinz Wingerath und Ida Krümmel, einen kleinen Umzug und das Motto „Mir sind och noch do“. Es rüsteten die Gesellscha­ften auf und selbst die Kompanien des Sommerbrau­chtums, die Schützen, feierten.

Wilfried Link, Blau-Weißer, karnevalis­tisches Urgestein und Prinz im Jahr 1960 (mit Prinzessin Anne- marie Stolzenber­g und dem Motto „Mer trecke doch“), erinnert sich daran, dass er als Kind mit den Eltern zum Karneval zog und auch später mit ihnen auf Sitzungen war. Jeck zu sein war eine Familienan­gelegenhei­t, oft auch durch kirchliche Veranstalt­ungsorte geadelt und vom Kaplan unterstütz­t. Die NSDAP versuchte schließlic­h Karnevalsb­e- geisterung in werbewirks­ame Partei-Großverans­taltungen umzuleiten, zahlte Zuschüsse und ließ Besucher aus umliegende­n Städten in Bussen zum Ratinger Zug karren. Es gab 1939 noch einmal Karneval und Zug und dann, wie man weiß, nichts mehr zu lachen. Erst nach 1946 durften sich die Jecken – genau wie die Schützen – wieder zusammen-

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FOTOS: BLAZY (2), STADTARCHI­V (KLÖCKNER) Das Ratinger Urgestein Wilfried Link mit Bildern von sich aus seiner Karnevalsk­arriere.
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Wilfried Link als Karnevalsp­rinz 1960 mit Prinzessin Annemarie Stolzenber­g.
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Wagen anno 1955: Die Gefährte beim Karnevalsz­ug waren noch eine Nummer kleiner.

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