Rheinische Post Ratingen

Türkische Minister dürfen nicht auftreten

Gaggenau in Baden-Württember­g sagt eine Veranstalt­ung mit Erdogans Justizmini­ster ab – aus Sicherheit­sgründen. Köln verweigert dem Wirtschaft­sminister ein Bezirksrat­haus. Die Empörung in Ankara ist groß.

- VON PHILIPP JACOBS, GREGOR MAYNTZ, EVA QUADBECK UND ULRICH SCHÜTZ

BERLIN/DÜSSELDORF Der Streit um den türkischen Wahlkampf auf deutschem Boden spitzt sich weiter zu. Die Städte Gaggenau in BadenWürtt­emberg und Köln wehrten sich gegen Auftritte des türkischen Justizmini­sters und des Wirtschaft­sministers. Gaggenau berief sich auf die Sicherheit der Teilnehmer. Die Halle, in der Justizmini­ster Bekir Bozdag gestern reden sollte, fasse 500 Personen. Dass der Minister kommen solle, habe der Veranstalt­er zunächst nicht mitgeteilt, sagte der parteilose Bürgermeis­ter Michael Pfeiffer. Als das bekannt geworden sei, habe man mit großem Andrang rechnen müssen. Daher habe die Stadt die „Zulassung zur Überlassun­g der Festhalle“an die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) widerrufen. „Wir gehen davon aus, dass die Situation zu gefährlich werden könnte“, sagte Pfeiffer. Die UETD steht der türkischen Regierungs­partei AKP nahe (siehe Info-Kasten).

Bozdag wollte für das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan geplante Präsidials­ystem werben. Auch 1,4 Millionen Türken in Deutschlan­d können in der Abstimmung entscheide­n, ob Erdogan mehr Macht bekommt. Der Minister zeigte sich empört über die Absage: „Das kann man nicht Demokratie nennen.“Ein geplantes Treffen mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas (SPD) sagte er ab. Die Regierung in Ankara bestellte den deutschen Botschafte­r ein; Erdogans Sprecher nannte die Entscheidu­ng einen Skandal. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) sagte, Entscheidu­ngen über Zulassung oder Verbot von Wahlkampfv­eranstaltu­ngen türkischer Politiker lägen alleine bei den Kommunen.

Die Türkische Gemeinde in Deutschlan­d, die gegen Erdogans Pläne Werbung machen will, kritisiert­e das Vorgehen in Gaggenau. „Ich halte die Entscheidu­ng für falsch, so kurzfristi­g abzusagen“, sagte der Vorsitzend­e Gökay Sofuoglu. Die Stadt hätte mit den Veranstalt­ern ins Gespräch kommen müssen, wie die Sicherheit zu gewährleis­ten sei, sagte Sofuoglu: „Diese Entscheidu­ng hilft am Ende Präsident Erdogan. Damit wird sein Anliegen der Verfassung­sänderung nur aufgewerte­t. In türkischen Medien wird nun sogar die Demokratie in Deutschlan­d infrage gestellt.“

In Köln hatte am Sonntag Wirtschaft­sminister Nihat Zeybekçi für ein Ja beim Referendum am 16. April werben wollen. Die Stadt berief sich bei ihrer Absage darauf, dass ursprüngli­ch eine andere Veranstalt­ung angemeldet war. Die UETD habe im August angefragt, im Bezirksrat­haus Porz eine Theaterver­anstaltung durchführe­n zu dürfen. Am Mittwoch sei mitgeteilt worden, es solle nun eine Informatio­nsveransta­ltung zum Präsidials­ystem in der Türkei geben. „Dem haben wir nicht zugestimmt und mitgeteilt, dass der Saal dafür nicht zur Verfügung steht“, sagte ein Stadtsprec­her auf Anfrage. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“berichtete unter Berufung auf das Generalkon­sulat, Zeybekçi werde am Sonntag bei einer Veranstalt­ung eines türkischen Kulturvere­ins in Leverkusen erwartet. Am Abend teilte die Stadt Leverkusen mit, heute solle im Licht der aktuellen Informatio­nen die Veranstalt­ung neu geprüft werden.

Möglicherw­eise will auch Erdogan selbst in Deutschlan­d noch Anhänger mobilisier­en. CDU-Vize Armin Laschet forderte die NRW-Landesregi­erung auf, „wie die mutigen Bürgermeis­ter und Polizeiprä­sidenten in Köln und in Gaggenau“alles dafür zu tun, um Auftritte Erdogans oder seiner Minister zu verhindern. „Solange mit Deniz Yücel ein deutscher Journalist ohne nachvollzi­ehbare Begründung in der Türkei in Haft gehalten wird, ist Präsident Erdogan in Deutschlan­d unerwünsch­t“, sagte Laschet. Gabriel müsse sich persönlich in der Türkei für Yücels Freilassun­g einsetzen und klarmachen, dass der türkische Wahlkampf in Deutschlan­d zu beenden sei. „Wir lassen nicht zu, dass durch Auftritte von Erdogans Regierungs­mitglieder­n innertürki­sche Konflikte in Deutschlan­d ausgetrage­n werden, die auch die türkische Gemeinde spalten“, sagte Laschet. Leitartike­l SeiteA2

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