Konservative sind keine Nationalisten
Die Angreifbarkeit der westlichen Demokratien beruht derzeit auch auf der Unsicherheit des Konservatismus. Gefunden habe ich den Satz in der März-Literaturbeilage des Magazins „Der Spiegel“. Ein Indiz für die Unsicherheit liefert die CDU, so wie sie sich in den letzten Jahren ins politisch Ungefähre entwickelt hat. Die Vorsitzende Angela Merkel würde wohl einwenden, sie habe die CDU „ins Offene“geführt. Ist die Partei, die nur noch von linken Rivalen als konservativ wahrgenommen wird, nicht offen für fast alles, was gesellschaftlich en vogue erscheint? Und gaben politische und publizistische Beiboote dazu nicht über viele Merkel-Jahre hinweg freudige Hornsignale? Überm Adenauer-Haus flatterte orangefarbenes Fahnentuch mit dem Schriftzug „Konservativ? Nein danke“.
Fragen Sie einmal auf einer geselligen Veranstaltung in die Runde: „Bist du eine Konservative, ein Konservativer?“Ich möchte wetten, dass Ablehnung, wenn nicht Entrüstung die Reaktion sein würde. Für konservativ
Kaum einer bekennt sich noch öffentlich zum Konservatismus, vielleicht auch, weil er dieser Tage häufig mit Nationalismus verwechselt wird.
möchte kaum jemand gehalten werden. Es ist zwar ungemein partytauglich, sich als Fan von irgendetwas, das nach Moderne riecht, zu outen; jedoch zu bekennen, man sei konservativ – das führt zu betretenem Schweigen und verlegenen Griffen nach der Schale mit den Erdnüssen. Das führt zu der Vermutung, dass viele Konservative feige sind; dass sie zwar klammheimliche Freude empfinden, wenn Bewahrenswertes bewahrt und nicht auf dem Altar der Moden geopfert wird; dass sie sich aber in die Büsche schlagen, wenn es gilt, jener Partei Beine zu machen, die sich ihrer konservativen Wurzeln zu schämen scheint.
Man wird auf die Jüngeren in der CDU setzen müssen. Jens Spahn aus NRW, Mike Mohring aus Thüringen und deren Schwestern und Brüder im Geiste sollten viel stärker an dem Baum rütteln, an dem die alten Früchte mit dem faden Allerweltsgeschmack hängen. Der Zeitgeist sei konservativ, behauptete vor Kurzem Markus Söder (CSU). Mir kommt der Zeitgeist eher nationalistisch vor. Wer Konservatismus mit nationaler Enge verwechselt, macht einen Fehler. Es klingt vielleicht widersprüchlich, was der große moderne Konservative Franz Josef Strauß sagte. Aber es trifft zu: „Konservativ sein, heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren.“ Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de