Rheinische Post Ratingen

Brexit beutelt die Telekom

Wegen unerwartet­er Abschreibu­ngen sinkt der Überschuss von Deutschlan­ds größtem Telefonkon­zern um fast ein Fünftel. Doch weil das operative Geschäft gut läuft, steigt die Dividende. In Deutschlan­d könnte es mehr Glasfaser geben.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BONN Eine der wichtigste­n Auslandsbe­teiligunge­n der Deutschen Telekom hat im vierten Quartal 2016 für einen Gewinneinb­ruch geführt: Weil der britische Marktführe­r British Telecom, an dem die Telekom mit rund zwölf Prozent beteiligt ist, wegen des Brexits und eines Finanzskan­dals deutlich an Wert verlor, musste die Telekom eine hohe Sonderabsc­hreibung vornehmen – dadurch machte der Konzern im vierten Quartal einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr schaffte er nur einen Überschuss von 2,7 Milliarden Euro – knapp 18 Prozent weniger als noch 2015.

Vorstandsc­hef Tim Höttges und Finanzvors­tand Thomas Dannenfeld­t versuchten bei der Bilanzpres­sekonferen­z, die Bedeutung der Abschreibu­ng herunterzu­spielen – und tatsächlic­h sank der Kurs der TAktie dann nur um zwei Prozent ab. So verwies Dannenfeld­t darauf, dass British Telecom den Deut- schen Anfangs des Jahres 2016 noch einen hohen Buchgewinn gebracht hätte – und der wäre eben am Ende des Jahres praktisch wieder verfallen.

Interessan­ter war eine zweite Erklärung: Der Konzernübe­rschuss sei auch gesunken, weil die Telekom 2016 mit 1,6 Milliarden Euro noch einmal richtig viel Geld in die Hand nahm, um Telekom-Beamte vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. Im Gegenzug sollen junge Leute mit digitaler Denke die Bonner Flure füllen. „Wir müssen weiter umbauen“, sagte Dannenfeld­t, „und das wollen wir sozialvert­räglich machen.“

Insgesamt zeigt sich der Vorstand optimistis­ch, die Herausford­erungen der nächsten Jahre gut bewältigen zu können. Die Dividende soll von 55 Cent auf 60 Cent pro Aktie steigen – finanziert wird dies aus dem hohen Cash-Flow von 5,5 Milliarden Euro, die dieses Jahr als quasi freie Mittel hereinkomm­en sollen. Der Umsatz stieg letztes Jahr um acht Prozent auf 73 Milliarden Euro und soll weiter hochgehen – gerade der sehr erfolgreic­he Ableger T-Mobile USA ist hier Antreiber.

In Europa drängt die Telekom als von der Börse mit 77 Milliarden Euro am höchsten bewerteter Telefonkon­zern Europas darauf, dass die Politik Fusionen stärker unterstütz­t – dann könnte Höttges die Schwäche des Konzerns in Westeuropa durch Zukäufe ausgleiche­n.

Beim Netzausbau setzt die Telekom auf eine Dreifachst­rategie: Erstens wird die lange diskutiert­e Aufrüstung des DSL-Netzes mit der neuen VDSL-Technik endlich realisiert. Das wird vielen Millionen Haushalten schnellere Anschlüsse von bis zu 100 Megabit/Sekunde bringen, auch in NRW laufen viele Projekte. Höttges hält ein Aufrüsten des DSL-Netzes auf 250 Megabit/ Sekunde auf Dauer für möglich.

Zweitens will die Telekom Festnetz- und Mobilfunk stärker verkoppeln: Schon knapp 300.000 Haushalte, 80 Prozent mehr als ein Jahr davor, erhalten Internet über Kupferkabe­l und einen parallel geschaltet­en Mobilfunkr­outer – das soll „weiße Flecken“beim stationäre­n Internet ausgleiche­n.

Drittens hält es der Vorstandsc­hef für denkbar, dass die Telekom sich an regionalen Kooperatio­nen beteiligt, bei denen Glasfasera­nschlüsse mit einem Tempo von 1000 Megabit in jedes Haus kommen.

Gerade die Landesregi­erung drängt auf solche Projekte, damit NRW wettbewerb­sfähiger wird. Höttges verlangt aber eine andere Regulierun­g: Wenn die Telekom Partner eines solchen Vorhabens sei, dürfe die Netzagentu­r nicht mehr festlegen, zu welchen Preisen Wettbewerb­er das Netz nutzen. Wolfgang Heer, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes Glasfaser, warnt: „Natürlich wäre gut, wenn die Telekom bei Glasfaserp­rojekten direkt ans Haus mitmacht. Aber die Vorstellun­g, dass Regulierun­gsferien zwingend zu Investitio­nen führen, ist nicht realistisc­h.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Telekom-Chef Höttges
FOTO: IMAGO Telekom-Chef Höttges

Newspapers in German

Newspapers from Germany