Rheinische Post Ratingen

Türkei kassiert dritte Absage

Ein Wahlkampfa­uftritt des türkischen Wirtschaft­sministers in Frechen wurde gestoppt. In Leverkusen darf er aber ein Grußwort sprechen. Erdogan bezeichnet den inhaftiert­en Reporter Yücel als Spion.

- VON BERND BUSSANG, GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

BERLIN/LEVERKUSEN Erneut steht ein türkischer Regierungs­politiker in Deutschlan­d vor verschloss­enen Türen: Wirtschaft­sminister Nihat Zeybekci kann morgen nicht wie geplant in Frechen bei Köln auftreten. Der Betreiber der dafür vorgesehen­en Halle habe den Veranstalt­er informiert, dass er die vorgesehen­en Räumlichke­iten nicht zur Verfügung stellen werde, teilte die Polizei mit. Der Vertrag zwischen dem Eigentümer der Halle und dem Betreiber schließe ohnehin politische Veranstalt­ungen aus.

Zeybekci hatte geplant, vor Anhängern der Regierungs­partei AKP zu sprechen. Nach wie vor wird er am Sonntagnac­hmittag in Leverkusen bei einer Kulturvera­nstaltung erwartet. Die Stadt sieht keine Möglichkei­t, den Auftritt Zeybekcis im Kulturzent­rum „Forum“zu unterbinde­n. Es gebe einen rechtsgült­ig geschlosse­nen Mietvertra­g, sagte eine Stadtsprec­herin. Die Stadt habe somit keine rechtliche Handhabe, den Auftritt des Ministers zu stoppen. In dem dem Mietvertra­g beiliegend­en Ablaufplan sei der Auftritt des Ministers ausdrückli­ch erwähnt, allerdings sei dort nur von einem „Grußwort“die Rede.

Oberbürger­meister Uwe Richrath (SPD) verteidigt­e den Entschluss. „Es gibt keine Grundlage für eine Absage, wir leben schließlic­h in einem Rechtsstaa­t“, sagte er und betonte, dass er jederzeit bereit sei, die Veranstalt­ung im „Forum“abbrechen zu lassen, wenn eine veränderte Sicherheit­slage das erfordere.

Zuvor hatten türkische Politiker in Ankara gereizt auf die beiden bereits zuvor erfolgten Rede-Absagen für türkische Minister in Gaggenau und Köln-Porz reagiert. Der deutsche Botschafte­r Martin Erdmann wurde ins Außenminis­terium in Ankara einbestell­t. Aus Verärgerun­g über die Absage seines Auftritts in Gaggenau ließ der türkische Justizmini­ster Bekir Bozdag zudem ein geplantes Treffen mit seinem deutschen Amtskolleg­en Heiko Maas (SPD) platzen. Maas, der mit Bozdag über den Fall des inhaftiert­en deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel reden wollte, reagierte in einem Brief an Bozdag scharf. „DerUmgang der türkischen Behörden mit Herrn Yücel verstärkt meine tiefe Sorge um die Pressefrei­heit und die Rechtsstaa­tlichkeit der Türkei“, schrieb Maas.

Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan erhob unterdesse­n neue Anschuldig­ungen gegen Yücel, dem er Spionage vorwarf. „Als ein Vertreter der PKK, als ein deutscher Agent hat sich diese Person einen Monat lang im deutschen Konsulat versteckt“, sagte Erdogan bei einer Rede gestern Abend.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel unterstric­h, dass es sich bei den Absagen um rein kommunale Entscheidu­ngen gehandelt habe. Städtetags­präsidenti­n Eva Lohse verteidigt­e die Absagen zwar ausdrückli­ch als „nicht politisch, sondern versammlun­gsrechtlic­h begründet“, rief die Bundesregi­erung aber dazu auf, die Entscheidu­ng über die Frage, in welchem Umfang türkische Politiker in Deutschlan­d um Stimmen werben können, nicht bei den Rathäusern abzuladen. „Das kann nur zwischen den Regierunge­n in Berlin und Ankara besprochen werden“, sagte Lohse.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu warnte Deutschlan­d vor Konsequenz­en. „So kann es nicht weitergehe­n“, sagte er in Ankara. „Wenn Sie mit uns arbeiten wollen, müssen Sie lernen, wie Sie sich uns gegenüber zu verhalten haben“, sagte der Minister. Ansonsten werde es Folgen geben. Cavusoglu wolle am Mittwoch Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) treffen, meldete die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu. Leitartike­l Seite A2 Politik Seite A4

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