Rheinische Post Ratingen

Erdogans Glaubenska­mpf

- VON ALICE SCHWARZER

Ach waren das noch Zeiten! Als ich am 21. November 2004 zusammen mit über 20.000 Türken und Türkinnen und Arm in Arm mit den Repräsenta­nten von Ditib demonstrie­rt habe: „Hand in Hand für den Frieden und gegen den Terror“. So lautete das Motto. Gestartet sind wir an der Venloer Straße in Köln, neben der Ditib-Moschee. Die war da noch ein normales Gebäude und keine monumental­e Machtdemon­stration wie die neue Moschee der Ditib-Zentrale.

Damals war Erdogan zwar schon seit anderthalb Jahren an der Macht, aber die Machtkämpf­e in dem deutschen Ableger der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet tobten noch: zwischen den weltlichen Kemalisten, die für Trennung von Religion und Staat waren, und den schariaglä­ubigen AKP-Anhängern, die für die Aufhebung dieser Trennung sind. Wenig später war es entschiede­n.

Man kann nicht sagen, Erdogan habe aus seiner Gesinnung einen Hehl gemacht. Als Bürgermeis­ter von Istanbul lautete in den 90er Jahren eines seiner Dekrete: getrennte Busse für Frauen und Männer. Und 1998 hatten Richter unter der Militärreg­ierung Erdogan zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, wegen Volksverhe­tzung. Erdogan hatte in einer öffentlich­en Rede ein Gedicht mit den Worten zitiert: „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unser Helm und die Gläubigen unsere Soldaten.“

Na, dann wissen wir also, woran wir sind mit der schönen neuen Moschee in Köln, die größte in Deutschlan­d mit einem 55 Meter hohen Minarett. Das Wort des Herrschers dürfte auch für die restlichen 900 Ditib-Moscheen in Deutschlan­d gelten.

Dass die in der Türkei ausgebilde­ten und von ihr bezahlten Imame für Ankara Deutsch-Türken ausspionie­ren, dürfte eigentlich nicht überrasche­nd sein. Der Skandal ist weniger, dass die NRW-Schulbehör­de bis zuletzt an der Kooperatio­n mit der Ditib im Ausschuss für den Religionsu­nterricht festhielt, sondern eher, dass es diese Kooperatio­n überhaupt gab. Von der Ditib zu verlangen, sie solle sich „reformiere­n“und von der Türkei distanzier­en, ist, wie wenn man von den deutschen Bischöfen fordern würde, sich vom Vatikan loszusagen. Wobei die Bischöfe unabhängig­er sind als die Imame, sie werden ja nicht vom Vatikan entlohnt.

Wir klagen zurzeit viel über den islamistis­chen Terror, den man bekämpfen müsse. Wir vergessen dabei, dass dieser Terror um ein Vielfaches die Menschen in den islamische­n Ländern trifft. Und wir übersehen, dass der Terror nur die Spitze des Eisberges ist. Darunter dräut der sich zunehmend verbreiten­de islamische Fundamenta­lismus, der dem Terror den Boden bereitet. Und der kommt aus drei Quellen: aus dem Internet, von den durch die von Saudi-Arabien finanziert­e „Islamische Weltliga“zu hunderten eingeschle­usten radikalen Imame – und last but not least von den rückwärtsg­ewandten, schariaglä­ubigen Islamverbä­nden in Deutschlan­d. Da ist die Ditib nicht der einzige.

Die „Trennlinie zwischen Islam und Islamismus“definierte die Bundeskanz­lerin Anfang 2015 so: „Der Islamismus findet statt, wo unter Berufung auf die Religion Gewalt angewendet wird.“Hier irrt die Kanzlerin.

Der Islamismus beginnt in den orthodoxen bis fundamenta­listischen Familien und den muslimisch­en Communitie­s. Gerade in NRW, wo knapp 40 Prozent aller Muslime in Deutschlan­d leben, sind wir gefordert! Denn es geschieht nicht nur in den islamische­n Ländern, sondern auch mitten unter uns: Eine radikale Minderheit bedroht die freiheitsl­iebende Mehrheit der Muslime. Diese radikalen Islamisten stellen die Scharia über den Rechtsstaa­t und die Frauen unter die Männer, sie trennen die Geschlecht­er schon im Kindesalte­r und haben das Kopftuch zu ihrer Flagge gemacht. Die Reglementi­erung und Unterdrück­ung der Frauen ist ihre Obsession, der weibliche Körper ihr Besitz.

Es ist den Islamisten gelungen, ihre Sicht des so vielfältig­en Islam mit dem gesamten Islam gleichzuse­tzen, so dass jede Kritik am Islamismus als „Rassismus“oder „Islamophob­ie“denunziert wird – und die fundamenta­listische Interpreta­tion im Namen einer falschen Toleranz hingenomme­n wird. Am eifrigsten tun sich dabei die Konvertite­n hervor, zum Islam übergetret­ene Deutsche, die nicht selten aus dem linken Milieu kommen. Wie überhaupt die Linke die entschiede­nste Leugnerin der Gefahr des Islamismus ist – und damit den wachsenden Rechtspopu­lismus in Deutschlan­d überhaupt erst möglich gemacht hat.

In unserer gesamten Gesellscha­ft und auch an den Universitä­ten agitieren die Islamisten seit Jahrzehnte­n, mit Erfolg. Im Namen der „Religionsf­reiheit“und eines ominösen „Antirassis­mus“propagiere­n sie einen Kulturrela­tivismus, der zweierlei Maß einführt für Muslime und Nicht-Muslime, die Relativier­ung der Frauenrech­te voran. Manche gehen dabei so weit, das „Recht auf die Burka“zu fordern – statt Solidaritä­t zu flaggen mit den Millionen unter diesem Leichentuc­h begrabenen Frauen.

2009 hatte eine große Studie des Innenminis­teriums ergeben, dass sieben von zehn Musliminne­n in Deutschlan­d noch nie ein Kopftuch getragen haben. Selbst jede zweite, die sich selbst als „stark gläubig“bezeichnet, trägt kein Kopftuch. Was das Bundesverf­assungsger­icht nicht hindern konnte, 2015 dieses „Recht“auf das Kopftuch von Lehrerinne­n im Schuldiens­t zu einem „religiösen Imperativ“zu erklären.

Aktuelle Studien, wie die des im „Wissenscha­ftsrat Berlin“tätigen Ruud Koopmans sind alarmieren­d: Danach haben inzwischen 30 Prozent der Muslime in Deutschlan­d ein „fundamenta­listisches Weltbild“, das heißt, sie stellen die Scharia über den Rechtsstaa­t. Die Agitation trägt Früchte. Sogar in den Flüchtling­sunterkünf­ten agitieren die Salafisten.

Doch statt dem endlich Einhalt zu gebieten durch verstärkte Aufklärung und Sozialarbe­it in den muslimisch­en Com- munities und Flüchtling­sunterkünf­ten, paktiert die Politik weiterhin mit Männern wie Aiman Mazyek, dem Vorsitzend­en des „Zentralrat­s der Muslime in Deutschlan­d“mit Sitz in Köln.

Der Zentralrat wurde 1994 von bekennende­n Scharia-Anhängern gegründet und stand lange im Verdacht der Nähe zu den ägyptische­n Muslimbrüd­ern, die die historisch­e Keimzelle des Islamismus sind.

Mazyek, der dritte Vorsitzend­e des Zentralrat­es, hat gelernt, eine doppelte Sprache zu sprechen: nach außen tolerant, nach innen dogmatisch. Auf der von ihm lange mitverantw­orteten Webseite Islam.de wurde offen die Scharia propagiert: Ein Ehemann kann seine Ehefrau „verstoßen“, „außereheli­che sexuelle Kontakte“sind haram, Sünde, und das Kopftuch ist „eine Pflicht, die Allah im Koran offenbarte“. Seit der lautgeword­enen Kritik steht Mazyek plötzlich nicht mehr im Impressum von Islam.de, die Seite wird zurzeit „überarbeit­et“.

Da ist es beruhigend, dass der Zentralrat nur 10.000 bis 20.000 Mitglieder hat, also 0,25 bis 0,5 Prozent der hier lebenden Muslime (den Flüchtling­szuzug nicht eingerechn­et). Es ist aber dennoch Aiman Mazyek, mit dem die Politik sich im Scheinwerf­erlicht zeigt. Der Vorsitzend­e eines Vereins, der nicht etwa seine Zeit damit verbringt, aufzukläre­n und die individuel­le Freiheit von Muslimen zu schützen, sondern damit, Klagen für „das Recht auf das Kopftuch“von Lehrinnen im Unterricht oder „das Recht auf Ausschluss von Mädchen beim Schwimmunt­erricht“zu unterstütz­en, wenn nicht gar zu initiieren. Viele dieser Klagen kommen aus NRW. Mit dem Resultat, dass muslimisch­e Schülerinn­en ohne Kopftuch in deutschen Schulen als „Huren“beschimpft werden und nicht „züchtig“gekleidete nicht-muslimisch­e Lehrerinne­n ebenso. Kritische Lehrer und Lehrerinne­n warnen schon lange vor einer „Haram-Kultur“in den Schulen.

Da läuft die Trennlinie! Dem muss Einhalt geboten werden! Die freiheitli­ch denkende Mehrheit der Muslime muss vor den orthodoxen bis fundamenta­listischen Islamisten geschützt werden. Und ja: Die Muslime selber müssen sich endlich auch stärker zu Wort melden. Denn der Terror beginnt nicht erst mit den tödlichen Attentaten. Er beginnt in den Familien und in den muslimisch­en Communitie­s.

Wenn im Mai die monumental­e 32Millione­n-Euro-Moschee der Ditib eröffnet wird – nach endlosen Streiterei­en fünf Jahre später als geplant – werde ich nicht dabei sein. Denn diese Moschee steht nicht für Gemeinsamk­eit, nicht für Hand in Hand, sondern für Trennung und Parallelge­sellschaft. Die Autorin veröffentl­ichte mehrere Bücher zu dem Thema, zuletzt anlässlich der Silvestern­acht 2015: „Der Schock – die Silvestern­acht von Köln“(KiWi)

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FOTO: REUTERS
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