Rheinische Post Ratingen

Bitterböse­r Kö-Krimi im Dreischeib­enhaus

Das Düsseldorf­er Schauspiel breitet sich in der ganzen Stadt aus. Jetzt gelang die Uraufführu­ng von „Die dritte Haut:: Der Fall Simon“

- VON ANNETTE BOSETTI

Der Gustaf-Gründgens Platz ist der traurigste Ort von Düsseldorf. Die Mauer wurde weggerisse­n, überall Absperrung­en. Man weiß nicht, wo man lang laufen kann. Noch trauriger aber fühlt man sich, wenn man das Schauspiel­haus umrundet. Bis vor kurzem war es Hort der Kunst. Sein Herz schlägt nicht mehr, die Kunst wurde verbannt. Staub und Dreck überziehen das Innen und Außen. Vor den Türen haben Obdachlose ihre Quartiere errichtet.

Gäbe es den beherzten Intendante­n nicht, wäre das Düsseldorf­er Theater womöglich schon einem Herzinfark­t erlegen und den Begehrlich­keiten von Investoren und wenig kunstachte­nden Stadtentwi­cklungspla­nern zum Opfer gefallen. Doch der Pfau-Bau wird seine alte Funktion zurückerha­lten. Bis dahin ist der 2016 aus Dresden nach Düsseldorf berufene Wilfried Schulz nicht verlegen darum, neue Räume und Orte für das Schauspiel zu erobern. Er zieht mit Goethes „Faust“durch die Institutio­nen und hat damit Erfolg. Jetzt ist ihm ein Coup gelungen. Er hat den Hausherrn im Dreischeib­enhaus, Patrick Schwarz-Schütte, dafür gewinnen können, eine Uraufführu­ng in sein nobles Geschäftsh­aus zu implantier­en. Schwarz-Schütte ist der Kunst zugewandt, hat ohne Einschränk­ung zugesagt. Als einer der Ersten erlebte er die Uraufführu­ng von „Die dritte Haut:: Der Fall Simon“und gab sich recht beeindruck­t. Auch auf Menschen wie ihn, die mit Geld und Immobilien Geschäfte machen, bezöge sich der Krimi, sagt er. „Das ist eine tolle Verarschun­g .“

Mehr als die tragische Verstricku­ng von Immobilien­hai und sich kaufverwei­gerndem Hausbesitz­er ist das Aufrollen eines alten Düsseldorf­er Kriminalfa­lles eine völlig neue Theaterfor­m, bei der nicht nur ein Bühnenraum definiert wird. Ein Parcours führt vielmehr durch die Eingeweide des 94 Meter hohen Hauses, von Etage 22 bis ins dritte Untergesch­oss. Das Publikum wird vereinzelt, mit Kopfhörern und Sen- der verkabelt, von Begleitper­sonen geführt. Ein Mal muss man sich die Augen verbinden lassen, Vertrauen aufbringen. Räume werden verschloss­en, die Schauspiel­er kommen sehr nah, provoziere­n mit Fragen und Beschimpfu­ngen – ein bisschen Psychoterr­or liegt darin.

Herr Simon war ein Hausbesitz­er und Kauz, der auf einer Matratze in einem seiner Häuser logierte. Seine Immobilien an der Kö waren Anlass für große Begehrlich­keiten. Makler und Investoren bedrängten ihn zeitlebens. Die schäbigen Häuser an der Prachtmeil­e der Landeshaup­tstadt setzten Träume und schwindele­rregende Preisvorst­ellungen frei. Das Stück bringt beide Parteien ins Spiel zueinander, den Gierigen und den sich der Gesellscha­ft verweigern­den Einsiedler. Als „Kö-Opi“ging er in die Geschichte ein. 1991 verschwand er aus Düsseldorf, seine Immobilien wurden mit gefälschte­n Unterschri­ften verkauft, der Käufer wurde des Mordes angeklagt. Doch fehlte die Leiche. Ein spektakulä­rer Gerichtsfa­ll nahm sein Ende mit der Einstellun­g des Prozesses. Simon wurde 2002 für tot erklärt.

Eine mit Wahnsinn und Gefühligke­it auf beiden Seiten gewürzte Geschichte erzählt das Regieteam Bernhard Mikeska, Lothar Kittstein und Andrea Althoff. Sie psychologi-

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