Mutter erschießt Mörder ihrer Tochter
Der dritte Prozesstag hatte noch nicht begonnen, gerade war der Angeklagte in den Saal am Lübecker Landgericht geführt worden. Dem 35-jährigen Klaus Grabowski, der bereits wegen Missbrauchs Minderjähriger vorbestraft war, wurde vorgeworfen, die siebenjährige Anna Bachmeier misshandelt und ermordet zu haben. Den Mord hatte er gestanden, den Missbrauch abgestritten. Die Mutter des Mädchens, Marianne Bachmeier, kam ebenfalls früh an diesem dritten Prozesstag. Sie zog eine Pistole und feuerte achtmal in den Rücken des Angeklagten. Sechs Kugeln trafen Grabowski, er war sofort tot. Es war das erste Mal, das in einem deutschen Gerichtssaal die Angehörige eines Opfers Selbstjustiz übte. Schon kurz darauf berichteten die ersten Medien, einige wenige Reporter waren als Augenzeugen vor Ort gewesen. Die Tat spaltete Deutschland. Viele Bürger äußerten Verständnis für die Mutter. Sie sahen die Tat als verzweifelte Reaktion auf ein undenkbares Verbrechen. Andere verurteilten die Selbstjustiz, die nicht mit dem Prinzip des Rechtsstaats vereinbar sei. Fast genau zwei Jahre später musste Bachmeier sich selbst vor Gericht verantworten (Foto). Die Richter standen vor der Entscheidung: Mord oder Totschlag? Nach 28 Verhandlungstagen kam es zum Schuldspruch wegen Totschlags und unerlaubtem Waffenbesitz. Bachmeier wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.