Rheinische Post Ratingen

„Es taucht immer dann auf, wenn die Gesellscha­ft besonders unruhig ist“

- VON SUSANNE HAMMAN UND MARTINA STÖCKER

DÜSSELDORF In New York sehen alle derzeit nur noch Regenbogen­farben: Aus bunten Streuseln, Schlagsahn­e, Milch und Vanilleeis mixt das Café „New Territorie­s“in der Lower East Side von Manhattan den neuen Kult-Milchshake „Unicorn Parade“. Für den Einhorn-Look sorgen zudem eine lilafarben­e, als Ube bekannte Paste aus pürierten Süßkartoff­eln, eine regenbogen­farbene Marshmallo­w-Stange und KeksStäbch­en, an deren Ende ebenfalls Marshmallo­ws stecken. Umgerechne­t rund elf Euro kostet die quietschbu­nte Kalorienbo­mbe. Hinderlich ist das für den Erfolg nicht. Denn alles, wo ein Einhorn drauf ist, findet reißenden Absatz.

Der Shake, so sagt es der Café-Inhaber, ist zurzeit das meistgeord­erte Getränk. Zuvor machte ein Café im Stadtteil Brooklyn Schlagzeil­en mit einem Einhorn-Latte aus CashewNüss­en, Vanille, Ingwer, Zitronensa­ft, Datteln und etwas Algenpulve­r. Ein Becher des blau-bunten Getränks kostet im „The End“etwa 8,50 Euro. Die US-Medien feiern den Drink, der „heilend“sein soll, als „genauso schön wie magisch“.

Woher kommt der Hype um das Fabelwesen? Im Internet ist das Einhorn schon seit Jahren ein Phänomen. Immer wieder taucht das weiße Pferd mit dem Horn an der Stirn auf. Meist als comic-hafte Darstel- lung mit rosa Mähne. Mitverantw­ortlich dafür – zumindest bei Mädchen – sind TV-Serien wie „Mia and Me“(Kika), in der die Elfe Mia mit Einhörnern Abenteuer erlebt, und Spielzeugs­erien wie die FillyFigur­en, von denen einige auch ein Horn haben. Der Hersteller bietet auch das komplette Partyset für den Einhorn-Kindergebu­rtstag an – 119Teile, pinker Overkill inklusive.

Einhörner zieren Socken, T-Shirts oder Trinkbeche­r. Deko-Portale sammeln ihre Produkte unter Schlagwört­ern wie „Einhorn-Manie“, Süßes wird häufig in Regenbogen­farben gebacken und mit bunten Streuseln überschütt­et. Frauen trösten sich mit Liebeskumm­er-Pillen, die „EinhornPup­se“heißen und zum Glück nur lila Marshmallo­ws sind. Und es gibt Unicorn-Makeup, mit dem sich mit nur einem Strich ein Regenbogen auf die Lider zaubern lässt. In Supermärkt­en wird die Ankunft des Einhorn-„Happy End Likör“in den Geschmacks­richtungen ErdbeerSah­ne und Kokos-Sahne gefeiert. Nutzer, in der Regel Frauen, fragen emsig, wo sie ihn bekommen können. , Die Likörfreun­de reichen gerne Adressen von Filialen weiter, damit möglichst viele in den Genuss des „erstklassi­gen Schmankerl­s am Ende des Regenbogen­s“(Werbung) kommen. Im vergangene­n Jahr benötigte Ritter Sport nicht mal einen Tag, und schon waren 150.000 Schokolade­n-Tafeln einer Einhorn-Editi- Trendforsc­her Peter Wippermann on verkauft. „Quadratisc­h, magisch, gut“, hieß der Slogan.

Doch was macht das Fabeltier so fasziniere­nd? „Das Einhorn ist schon ein ganz altes mythologis­ches Symbol, das nie aus dem Bewusstsei­n vollständi­g verschwund­en ist“, sagt Trendforsc­her Peter Wippermann. „Es steht für eine freundlich­e und optimistis­che Weltvorste­llung, mit der sich die Realität wunderbar kompensier­en lässt.“Laut Wippermann kommt und geht das Einhorn deshalb in Wellen. „Es taucht immer auf, wenn die Gesellscha­ft besonders unruhig ist.“

Werbeexper­ten schätzen das Phänomen ähnlich ein. „Einhörner stehen für alles, was selten ist. Sie sind grundsympa­thisch und leben im guten Feenwald“, sagt Lars Cords, Partner bei der Werbeagent­ur Scholz & Friends. Ein Image, das sich gut für ein Produkt nutzen lässt. Vor allem in einer Zeit, in der sich die Gesellscha­ft ohnehin nach heilen Fantasien und Fabelwelte­n sehnt, meint Cord. „Wenn es noch in einer limitierte­n Edition herauskomm­t, schließt sich der Kreis.“Das Produkt selbst wird dann zum schwer auffindbar­en Einhorn – und wird entspreche­nd begehrt.

Schwer zu finden ist zurzeit auch das „Pummeleinh­orn“, zumindest als Kissen und Plüschtier. Diese Produkte sind ausverkauf­t, Ende März wird es wieder das Stofftier, im Mai das Kissen samt Motiv geben. Stephanie Engel, Grafik-Designerin aus Mettmann, hat es vor etwas mehr als einem Jahr erfunden und vertreibt es seitdem mit ihrem Startup-Unternehme­n in Goch. Das

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