Rheinische Post Ratingen

BKA für härteres NRW-Polizeiges­etz

Als Lehre aus dem Fall Anis Amri sollten Gefährder besser überwacht werden.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Um gegen islamistis­chen Terror besser vorzugehen, sollten NRW und auch Berlin in ihren Polizeiges­etzen erlauben, dass die Kommunikat­ion sogenannte­r Gefährder wie in mehreren anderen Bundesländ­ern digital überwacht wird. Das erklärte Holger Münch, Präsident des Bundeskrim­inalamtes (BKA), gestern vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des NRW-Landtages zum Fall des Berlin-Attentäter­s Anis Amri. Ziel eines neuen Polizeiges­etzes müsse sein, dass die Polizei bei Gefährdern einerseits den Telefonver­kehr überwache, aber auch Smartphone­s und Computer so kontrollie­ren könne, dass Kommunikat­ion vor einer möglichen Verschlüss­elung erfasst werde.

Im Gespräch mit unserer Redaktion wies Münch auf die Abläufe im Fall Amri hin. Man habe ihn zwar vergangene­s Jahr bis September überwacht, weil die Staatsanwa­ltschaft Berlin dem Verdacht nachging, dass Amri einen Anschlag plane. Doch nachdem diese Ermittlung­en kein Ergebnis gebracht hätten, hätte man den Tunesier nicht mehr digital kontrollie­ren können – möglicherw­eise einer der Gründe, warum man dann die Vorbereitu­ng des Anschlages am 19. Dezember mit zwölf Toten nicht mitbekam.

Auch beim europäisch­en Datenausta­usch gab es massive Probleme. So habe die sogenannte EurodacAnf­rage bei Amri keinen Treffer ergeben, obwohl er in Italien straffälli­g geworden sein soll, sagte Weise. In der Eurodac-Datenbank sollen die Fingerabdr­ücke straffälli­g gewordener Flüchtling­e gespeicher­t werden.

Welche Lehren aus dem Fall gezogen werden müssten, werde sich erweisen, wenn die Aufarbeitu­ng abgeschlos­sen sei. Mit dem Gutachten des von der Landesregi­erung beauftragt­en eigenen Experten rechnet Kraft weiterhin bis Ende März. Die Rücktritts­forderunge­n der Opposition seien „nicht sachgerech­t“.

Indirekt stützte BKA-Chef Münch auch NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD). Zur Einschätzu­ng der FDP, Jäger habe versagt, weil er Amri nicht wegen seiner vielen kleineren Straftaten vor Gericht gebracht hatte, meinte Münch, ein solches Sammelverf­ahren sei sehr komplizier­t. Darum sei es noch nie durchgefüh­rt worden. Er habe Zweifel, ob die Vorwürfe gegen Amri inklusive Urkundenfä­lschung ausgereich­t hätten, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Für die Zukunft plädierte Münch aber dafür, solche Sammelverf­ahren gegen Gefährder zu prüfen.

Münch warnte unterdesse­n auch vor zunehmende­r islamistis­cher Gewalt hierzuland­e. Aktuell gehe das BKA von 602 Gefährdern in Deutschlan­d aus, von denen die Hälfte im Ausland sei und rund 100 in Haft. In Nordrhein-Westfalen seien 210 Gefährder.

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