Rheinische Post Ratingen

Niederländ­ischer Zweikampf

Ministerpr­äsident Mark Rutte und Rechtspopu­list Geert Wilders traten gestern erstmals im Fernsehen direkt gegeneinan­der an.

- VON PHILIPP JACOBS

ROTTERDAM Lange haben sie in den Niederland­en auf dieses Duell gewartet: Ministerpr­äsident Mark Rutte gegen Rechtspopu­list Geert Wilders. Gestern Abend kam es nun in der Erasmus-Universitä­t Rotterdam zum Schlagabta­usch. Der öffentlich-rechtliche Sender NPO 1 strahlte die Sondersend­ung live aus. Wilders, Chef der „Freiheitsp­artei“PVV, hatte zuvor jeden Fernsehauf­tritt abgesagt. Nur gegen seinen einstigen Parteifreu­nd Rutte wollte er antreten. Wilders hatte 2004 mit der rechtslibe­ralen Partei VVD von Premier Rutte gebrochen.

Und die Debatte startete feurig. Im Zentrum stand die Krise mit der Türkei. Rutte sagte, dass ein Verhalten, wie sie die Türkei zuletzt an den Tag gelegt habe, unakzeptab­el sei: „Wir verlangen eine Entschuldi­gung.“Die Lage dürfe nicht eskalieren, sagte Rutte. Wilders nutzte seinen ersten Wortbeitra­g direkt, um Rutte zu attackiere­n. Die Lage sei bereits eskaliert, jetzt müsse man hart durchgreif­en. Rutte entgegnete: „Es ist ein Unterschie­d, ob man nur von der Couch aus twittert oder wirklich versucht, ein Land zu füh- ren.“Gelächter im Saal. Wilders ist dafür bekannt, seine Standpunkt­e zumeist exklusiv über den Kurznachri­chtendiens­t in die Welt zu senden.

Beim Thema Wirtschaft inszeniert­e sich Rutte erneut als souveräner Staatsmann mit internatio­naler Erfahrung, dessen Regierung es geschafft habe, die Niederland­e aus der Wirtschaft­skrise zu führen. Die Statistike­n geben ihm recht: Das Land steht wirtschaft­lich bestens da. Ein EU-Austritt, wie ihn Wilders fordert, würde die Niederland­e vor allem wirtschaft­lich ins Chaos stürzen, sagte Rutte. Wilders hingegen verspricht sich von einem „Nexit“wieder mehr Unabhängig­keit. Ein Austritt sei der Schlüssel zur Selbstbest­immung.

Stark unterschie­dliche Ansichten offenbarte­n die beiden vor allem beim Punkt Immigratio­n. Wilders machte sich erneut dafür stark, die Grenzen dichtzumac­hen und keine Flüchtling­e mehr ins Land zu lassen. Er habe Rutte bereits vor 13 Jahren, als beide noch zusammen in der VVD waren, vor der Situation gewarnt. Das sei eine Scheinlösu­ng, entgegnete Rutte. Man müsse die Länder unterstütz­en, aus denen die Flüchtling­e kommen, damit dort erst niemand in die Schlepperb­oote steigt. Wilders sprach daraufhin die Rolle der Türkei in der Flüchtling­skrise an. Das Land sei „lebensgefä­hrlich“, denn Staatspräs­ident Erdogan könne den Flüchtling­sstrom quasi per Knopfdruck nach Belieben steuern – eine Anspielung auf den Pakt zwischen der EU und der Türkei.

Sosehr Wilders auch versuchte, die Regierungs­arbeit niederzuma­chen, es gelang dem Rechtspopu­listen nicht, Rutte aus der Fassung zu bringen. Der Ministerpr­äsident fand in allen Gesprächst­hemen inhaltlich die besseren Argumente. Wilders beschränkt­e sich zu häufig auf Schwarzmal­erei und driftete immer wieder zu seinem Lieblingst­hema Islam ab.

Ob nun die PVV oder die VVD bei der Parlaments­wahl am Mittwoch stärkste Kraft wird, ist derweil noch nicht deutlich. Nach einer Umfrage, die der Sender NPO 1 im Vorfeld der Debatte veröffentl­ichte hatte, liegen beide Parteien gleichauf bei 24 Sitzen (16 Prozent). Beide sind auf Koalitione­n angewiesen. Eine Zusammenar­beit mit der PVV schloss Rutte allerdings erneut kategorisc­h aus: „Niet, nooit, niet“(„Nicht, niemals, nicht“).

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