Rheinische Post Ratingen

HIV-Aufklärung in den Communitie­s

Über die Hälfte der Anträge für Einzelfall­hilfen an die Deutsche AIDS-Stiftung stammen inzwischen von Menschen, die nicht in Deutschlan­d geboren wurden. Auch in Düsseldorf gibt es für diese Gruppe spezielle Angebote.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

HIV und AIDS sind immer noch Tabu-Themen. Während unter Betroffene­n hierzuland­e aber bekannt ist, dass es eine gute Therapie gibt, die das Leben entscheide­nd verlängert, gibt es unter Einwandere­rn dieses Wissen meist nicht oder entspreche­nde Beratungsa­ngebote werden wegen kulturelle­r Barrieren kaum angenommen. Die Scham und die Angst, aus der eigenen Community ausgeschlo­ssen zu werden, sind zu groß. Darum gibt es bei der Aidshilfe Düsseldorf ein besonderes Projekt: Rufin Kenfack Sofack, ebenfalls nicht in Deutschlan­d geboren, geht in Düsseldorf in die entspreche­nden Communitie­s von Menschen aus Subsahara-Afrika, um mit ihnen über HIV und AIDS zu sprechen.

„Das ist allerdings nicht so einfach, wie es klingt“, sagt Rufin Kenfack Sofack. Denn offen über Sex zu sprechen – das fällt in vielen Gemeinden immer noch schwer. „Und gerade in religiösen Gemeinden ist es sogar ein Tabu.“Kenfack Sofack ermutigt die Menschen, sich zu schützen, sich testen zu lassen, hilft, Diagnosen zu verarbeite­n, und zeigt auf, welche Hilfen es von der Aidshilfe Düsseldorf und weiteren Gesundheit­seinrichtu­ngen gibt. „Einige Menschen verzichten aus diversen Gründen allerdings auf diese Hilfe. Zum Beispiel aus Angst vor Diskrimini­erungen oder dass es Einfluss auf ihren Aufenthalt­stitel haben könnte, andere sogar aus Stolz.“

Dabei sind es gerade die Einzelfall­hilfen, die das Gros der Stiftungsh­ilfen der Deutschen AIDS-Stiftung in NRW ausmachen: 243.948 Euro wurden im Jahr 2016 vor allem für Hausrat und andere Anschaffun­gen bereitgest­ellt. „Das sind im einzelnen meist kleine Summen, die den Menschen aber das Leben stark erleichter­n“, sagt Ul- rich Heide, Geschäftsf­ührender Vorstand der Deutschen AIDS-Stiftung. „Im Jahr 2016 waren zum ersten Mal über die Hälfte der Menschen, die sich mit Anträgen auf Einzelfall­hilfe an uns gewandt haben, nicht in Deutschlan­d geboren.“Dahinter würde sich aber eben keine homogene Gruppe verbergen, sondern Einwandere­r aus den unterschie­dlichsten Regionen der Welt. „Gewisse Schwerpunk­te sehen wir in Subsahara-Afrika und Osteuropa. Zuwanderun­g wegen des Zugangs zu Behandlung können wir nicht feststelle­n, da gibt es viele andere Gründe für Flucht und Migration.“

Die AIDS-Stiftung fördert seit mehr als zehn Jahren vor allem auch Projekte, die sich für die transkultu­relle HIV-Arbeit, beispielsw­eise mit Menschen aus Subsahara-Afrika oder auch aus Osteuropa einsetzen. „Vom Verband der Privaten Krankenver­sicherung er- halten wir zudem jährlich einen hohen fünfstelli­gen Betrag, der zweckgebun­den für die Arbeit mit Migranten und Geflüchtet­en gedacht ist“, sagt Ulrich Heide. „Einfach, weil dort Prävention­sarbeit und Aufklärung viel Sinn machen.“

Der Zugang gelinge besser durch Menschen aus der Community: „Wir haben dreimal so viele Ratsuchend­e aus den entspreche­nden Regionen, seit Rufin Kenfack Sofack in die Communitie­s in Düsseldorf geht“, sagt Peter von der Forst, Leiter der Aidshilfe Düsseldorf. „Die Barrieren sind definitiv gesunken, das Vertrauen gestiegen.“Ein Viertel der Klienten der Aidshilfe stammt übrigens nicht aus Deutschlan­d, der größte Teil von ihnen wiederum ist aus Subsahara-Afrika nach Düsseldorf gekommen. Zu Beginn habe man das Projekt nicht gut finanziere­n können – mit Hilfe der AIDS Stiftung und der Erlöse der Operngala habe man aber zwei Jahre sichern können und nun im Anschluss sogar eine langfristi­ge, sichere Förderung durch die Stadt Düsseldorf und das Land NRW erhalten.

Prävention­sarbeit und Beratung sind die beiden Aufgaben, die Rufin Kenfack Sofack gemeinsam mit Klaus Bleymehl wahrnimmt. Unterstütz­t werden sie von sogenannte­n Multiplika­toren, die in Kulturvere­inen, Gemeinden oder AfroShops aktiv sind und in der Community Ansehen genießen. „Sie werden von uns geschult, machen unser Angebot noch bekannter. Wir versuchen zusätzlich, über das Thema Gesundheit mit den Menschen auch über HIV und AIDS ins Gespräch zu kommen“, sagt Rufin Kenfack Sofack. Kulturell sei das Projekt eine große Herausford­erung, sagt auch Klaus Bleymehl. „Die Menschen nehmen uns und auch das medizinisc­he Wissen teilweise nicht ernst. Problemati­sch ist es auch, wenn jemand gar keine Papiere hat. Dann hat er im Grunde keinen Zugang zur medizinisc­hen Versorgung. Das wäre aber wichtig, um die Weitergabe der Infektion zu verhindern.“

 ?? FOTO: CHRISTOPH GÖTTERT ?? Gemeinsam und transkultu­rell gegen HIV und AIDS: Klaus Bleymehl (Bereichsle­iter Beratung und Unterstütz­ung, Aidshilfe Düsseldorf), Peter von der Forst (Leiter Aidshilfe Düsseldorf), Dr. Ulrich Heide (Geschäftsf­ührender Vorstand der Deutschen...
FOTO: CHRISTOPH GÖTTERT Gemeinsam und transkultu­rell gegen HIV und AIDS: Klaus Bleymehl (Bereichsle­iter Beratung und Unterstütz­ung, Aidshilfe Düsseldorf), Peter von der Forst (Leiter Aidshilfe Düsseldorf), Dr. Ulrich Heide (Geschäftsf­ührender Vorstand der Deutschen...

Newspapers in German

Newspapers from Germany