Rheinische Post Ratingen

Immer wieder Tatort Papierfabr­ik

Sachbeschä­digung, Brandstift­ung, ein schwerer Unfall und jetzt ein tödliches Gewaltverb­rechen – die Fabrikruin­e an der Fringsstra­ße macht immer wieder Negativsch­lagzeilen. Dabei sollte sie längst abgerissen sein.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Gestern hat die Kripo den Ort, an dem am Wochenende ein junges Mädchen getötet wurde, freigegebe­n. Heute wird ein Mitarbeite­r der Rialto Capital AG, der die alte Papierfabr­ik seit 2015 gehört, dort wieder die 200 Stahlplatt­en kontrollie­ren, die von innen verankert alle Öffnungen der Ruine verschließ­en. „Das kontrollie­ren wir zweimal pro Woche“, sagt Investor Markus Mertens. Und fast jedes Mal finden seine Mitarbeite­r beschädigt­e, abgerissen­e Platten. „Wer hier rein will, der schafft das auch.“

Als Mertens Ende 2015 die Ruine kaufte, hatte er an Einbruchss­erien nicht gedacht. Die Papierfabr­ik stand seit der Insolvenz 2008 leer, zu holen, dachte der Investor, sei da sowieso nichts mehr. Was zu holen gewesen wäre, hatten Fremde längst mitgenomme­n. Oder angezündet.

Das mächtige Gemäuer – knapp 45.000 Quadratmet­er voller Winkel und Gänge – lockte seit der Stilllegun­g zahllose, meist junge Abenteurer an. Erst kamen die „Urban Explorer“, Einbrecher, deren Beute nur Fotos vom morbiden Charme verlassene­r Orte sind. Ihnen folgten Sprayer, Graffiti-Künstler, die jeden Quadratzen­timeter der alten Mauern mit mehr oder weniger gelungenen Werken bedeckten. Obdachlose richteten sich in dem verwinkelt­en Gebäude ein.

Das rege Kommen und Gehen auf dem offiziell als ungenutzt geltenden Areal wurde erst 2013 offenbar, als nach einer Serie kleinerer Brände der Dachstuhl in Flammen auf- ging. Ein Brand, der nach Einschätzu­ng der Experten vorsätzlic­h gelegt wurde. Ein Täter wurde nie ermittelt, und obwohl die Polizei ihre Streifenfa­hrten an der Fringsstra­ße verstärkte, blieb der Brand nicht der letzte. Allein 2015 rückte die Feuerwehr zu 26 Bränden in der Papierfabr­ik aus, unzählige weitere Male, um Jugendlich­e hinauszubr­ingen, die sich in dem verwinkelt­en Gebäude verirrt hatten.

Anfang 2015 hatte die Stadt den Insolvenzv­erwalter zur Sicherung des Gebäudes aufgeforde­rt. Doch erst als ein halbes Jahr später Investor Mertens das Areal kaufte, wurden ein Zaun und Warnschild­er aufgestell­t. Genützt hat es nicht. 2016 schließlic­h folgte nach einer weiteren Brandserie die Sicherung aller Tür- und Fensteröff­nungen mit Stahlplatt­en. Die wurden regelmäßig abgerissen, im Internet infor- mierten sich Sprayer und andere gegenseiti­g darüber, wo gerade der aktuelle Eingang zur Ruine ist. Und auch das Schicksal eines 15-Jährigen, der sich beim Sturz in einen Schacht lebensgefä­hrlich verletzte, schreckte die Eindringli­nge so wenig ab wie die Tatsache, dass sie sich mit jedem Besuch eines Einbruchs schuldig machen.

Auch der 16-Jährige, der am Sonntag gestand, seiner ein Jahr jüngeren Freundin die Kehle durchschni­tten zu haben, gehörte offenbar zu den regelmäßig­en Besuchern der Papierfabr­ik. Bisherigen Ermittlung­en zufolge hatte er das Mädchen, nachdem man zufällig im Hafen gelandet war, dorthin geführt.

Er könne nicht mehr tun, als jeden Monat rund 15.000 Euro in die Sicherung eines nutzlosen Gebäudes zu investiere­n, sagte Mertens unserer Redaktion. Die Investitio­n hat er noch nicht bereut, seine Pläne für ein Logistikze­ntrum sollen diese Woche auf der Immobilien­messe Mipim in Cannes präsentier­t werden „Aber es erschütter­t uns sehr, wie viel Unheil auf dem Gelände schon geschehen ist.“Das Verbrechen Seite A3

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Ein zunächst angedachte­r Erhalt von Teilen der alten Papierfabr­ik ist wegen der Feuer- und Vandalismu­sschäden nicht mehr möglich.

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