Rheinische Post Ratingen

Messdiener mit 78

Für viele Jugendlich­e hat das Amt des Messdiener­s an Attraktivi­tät verloren. So springen in den Gemeinden immer mehr Senioren in die Bresche. In der Kapelle des St.- Josef-Krankenhau­ses in Moers dienen nur Ministrant­en im Rentenalte­r.

- VON HEDI MEINECKE UND JÖRG ISRINGHAUS

MOERS Zweimal die Woche reichen sie dem Priester Wasser und Wein, helfen ihm beim Händewasch­en und klingeln mit den Schellen. Doch die Ministrant­en, die bei der Messe in der Kapelle des St. Josef-Krankenhau­ses in Moers ihren Ehrendiens­t versehen, haben ihre Jugendjahr­e schon lange hinter sich. Zwischen Mitte 60 und 80 sind die SeniorenMe­ssdiener alt, aber immer noch beflügelt von ihrer Mission. Mittlerwei­le engagieren sich in allen Bistümern zunehmend ältere Gemeindemi­tglieder, um den kirchliche­n Betrieb aufrechtzu­erhalten. Das Motto der Moerser Ministrant­en passt da-

„Sie erfüllen ihre Aufgaben sehr gewissenha­ft und mit viel Herzblut“

Herbert Werth Pfarrer in St. Josef bei sicher auf alle: „Es ist nie zu spät, etwas Sinnvolles zu tun.“

Norbert Scholz war in Moers von Anfang an dabei. „Als in St. Josef im Jahr 2009 der Konvent der Franziskan­erinnen aufgelöst wurde, gab es keinen mehr, der die Messdiener­pflichten erfüllen konnte“, erzählt der 78-Jährige. Wenn keine Jungen mehr da sind, müssen wir eben die Alten aktivieren, hieß es. Zunächst beteiligte­n sich neun, zum Teil ehemalige Ministrant­en, heute gehören noch sechs zum aktiven Team. Seit 2010 sind sie ständig im Einsatz, begleiten die Gottesdien­ste in der Kapelle dienstags und samstags. „Für uns eine Selbstvers­tändlichke­it“, sagt Norbert Sonntag, der für die Organisati­on verantwort­lich ist.

Für Herbert Werth, Pfarrer in St. Josef, sind die Senioren eine Bereicheru­ng. „Sie erfüllen ihre Aufgaben sehr gewissenha­ft und mit viel Herzblut“, sagt Werth. „Ich arbeite mit allen gerne zusammen.“Kurse oder Einführung­en in ihre Tätigkeit seien in der Regel nicht notwendig, weil die meisten in ihrer Jugend als Ministrant­en aktiv waren. Werth: „Früher war das ja gerade auf dem Land selbstvers­tändlich, daher sind die Rituale bei ihnen sozusagen eingebrann­t.“Tatsächlic­h werden die Rentner nicht nur geduldet, sondern gebraucht. Bei vielen Jugendli- chen sei das Messdiener­amt nicht so gut angesehen, sagt Werth, weil sie belächelt würden. „Bei anderen stellen sich Eltern quer, weil die Verpflicht­ungen als Ministrant nicht in den Lebensrhyt­hmus passen und den Sonntag kaputt machen.“

Generell habe das Ehrenamt des Messdiener­s bei Jugendlich­en an Attraktivi­tät verloren, heißt es aus dem Bistum Münster. „Das hat auch viel mit erweiterte­n Schulzeite­n zu tun“, sagt Sprecherin Anke Lucht. Gerade Trauerfeie­rn oder Beisetzung­en finden oft nachmittag­s statt, wenn der Unterricht noch läuft. Daher seien in fast allen Gemeinden zunehmend Senioren aktiv, um diese Engpässe zu überbrücke­n. „Wir begrüßen das selbstvers­tändlich“, sagt Lucht. „Gerade wenn sie ihre Erfahrunge­n einbringen und helfen, etwa Beerdigung­en würdevoll zu gestalten.“Wichtig aus Sicht des Bistums sei aber, dass das Engagement von Messdiener­n im Kinder- und Jugendalte­r auf der ei- nen sowie von Erwachsene­nmessdiene­rn auf der anderen Seite nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern einander ergänzen.

Im Erzbistum Köln sieht man das ähnlich. Das Ministrant­enamt sei wichtig für Jugendlich­e, damit sie mithilfe des Glaubens und der Gruppenerf­ahrungen hilfreiche Impulse und Begleitung beim Prozess des Erwachsenw­erdens bekommen, sagt Christoph Köster, Referent für die Ministrant­enpastoral. Deshalb dürfe man auch beide Bereiche nicht vermischen. Tatsächlic­h seien aber Senioren in vielen Gemeinden als Messdiener aktiv, vor allem, wenn bei Werktagsme­ssen Kinder und Jugendlich­e fehlen. Generell sei aber die Zahl der Messdiener zwischen neun und 30 Jahren mit rund 21.000 bei Erhebungen im Jahr 2009 und 2015 konstant.

Auch die Moerser Seniorenme­ssdiener waren vielfach schon als Kinder in Gemeindegr­uppen aktiv. „So hart wie früher sind die Zeiten aber heute nicht mehr“, erinnert sich Scholz, „damals hieß es etwa, morgens um sechs Uhr antreten zur ersten Messe.“Trotzdem: Für sie war und ist Kirche nicht langweilig oder trocken. Sie möchten etwas zur Gestaltung der Messe beitragen, die Zeremonie begleiten und mit dafür sorgen, dass Kirche immer offen für Neues bleibt. „Das Messdienen ist für uns kein normales Hobby, es geht weit darüber hinaus. Es zeigt, dass wir alle die gleichen Glaubensvo­rstellunge­n und die gleichen Werte haben“, sagt Scholz.

Wichtig ist für die Senioren-Gruppe der soziale Aspekt des Gemeindele­bens, etwa dabei zu sein bei Treffen oder Ausflügen. Im Vordergrun­d steht aber das Messdiener­Amt. Ganz wichtig: Auf die Senioren ist unbedingt Verlass. Das Ehrenamt ist auch Ehrensache. „Bei uns ist noch keiner ausgefalle­n“, sagt Scholz. Und jeder von ihnen wisse genau, was er zu tun habe. „Einmal Messdiener, immer Messdiener.“

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FOTO: KLAUS DIEKER Sie sind Ministrant­en mit Herz und Seele (v.l.): Marian Maciejczyk, Johannes Rückert, Theo Meierhoff, Georg Röhse, Norbert Scholz und Johannes Schlög dienen regelmäßig in der Kapelle des St. Josef-Krankenhau­ses in Moers. Ihr Motto: „Es ist nie zu spät,...

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