Rheinische Post Ratingen

USA gegen den Rest der Handelswel­t

In Baden-Baden tagen noch bis heute die Finanzmini­ster der 20 führenden Nationen. Der Streit mit der neuen amerikanis­chen Regierung über die Freihandel­sregeln ist noch lange nicht gelöst. Die Europäer pochen auf Freihandel.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BADEN-BADEN Beim Treffen der Finanzmini­ster der 20 führenden Nationen (G20) in Baden-Baden sind tiefe Meinungsve­rschiedenh­eiten in der Handelspol­itik zwischen den USA und den meisten anderen Ländern offen zutage getreten. Der neue US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin wollte ein Bekenntnis gegen jede Form von Protektion­ismus in den G20-Erklärunge­n nicht unterschre­iben. Ob es heute zu einem gemeinsame­n Abschlussk­ommuni- Michael Fuchs Unions-Fraktionsv­ize qué der G20-Minister kommen wird, war daher gestern zunächst ungewiss. Aller Voraussich­t nach wird es nur noch die Übereinkun­ft enthalten, dass sich alle Partner versichern, im globalen Handel fair miteinande­r umzugehen. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einer „nicht einfachen Diskussion“mit den neuen US-Partnern. Er zeigte sich aber zuversicht­lich, dass man sich heute auch mit den USA einigen kann.

Deutschlan­d hat noch bis November die G20-Präsidents­chaft inne. Schäuble empfing daher als Gastgeber der Konferenz seine 19 Amtskolleg­en in dem badischen Kurort, der für die Öffentlich­keit aus Sicherheit­sgründen weitgehend abgeriegel­t wurde. Mit besonderer Spannung erwarteten die Teilnehmer den neuen US-Finanzmini­ster, der erst vor vier Wochen ins Amt gekommen war. Doch auch der neue chinesisch­e Finanzmini­ster Jie Xiao bewegte sich das erste Mal auf dem G20-Parkett.

Im Streit um die Handelspol­itik standen China, Japan, Brasilien und viele kleinere Länder wie Singapur an der Seite Deutschlan­ds und der Europäer. Die verbindlic­hen Frei- handelsreg­eln der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) müssten weiterhin überall akzeptiert werden, verlangten sie. US-Präsident Donald Trump und sein Abgesandte­r Mnuchin setzen dagegen auf bilaterale Deals statt multilater­ale Handelsver­träge wie Ceta oder TTIP. Trump will zudem ausländisc­he Importprod­ukte mit einer Grenzausgl­eichsteuer („border adjustment tax“) belegen und sie gegenüber in den USA hergestell­ten Waren verteuern. Das würde deutsche Exporteure hart treffen.

Mnuchin hatte schon am Donnerstag in Berlin nach einem ersten Treffen mit Schäuble bestätigt, dass die USA zurzeit eine solche Importsteu­er prüften, eine Entscheidu­ng darüber sei aber noch nicht gefallen. „Wir wollen keinen Handelskri­eg“, hatte er aber versichert. In Baden-Baden wurde dann allerdings deutlich, dass die USA ein generelles Bekenntnis gegen protektion­istische Maßnahmen nicht mittragen. Auch lehnten sie einen Passus ab, der in früheren G20-Erklärunge­n immer gestanden hatte. So hatten die G20-Staaten zuletzt Mitte 2016 im chinesisch­en Chengdu erklärt, sie wollten den „multilater­alen“Handel stärken, indem sie sicherstel­len, dass dieser „regelbasie­rt“nach WTO-Statuten stattfin- de. Beide Begriffe wollte Mnuchin jetzt nicht mehr unterschre­iben. Statt dessen sollten diese nach einem deutschen Kompromiss­vorschlag durch die Begriffe „internatio­nal“und „fair“ersetzt werden.

Trump wirft insbesonde­re Deutschlan­d einen zu hohen Handelsübe­rschuss gegenüber den USA vor. Der Euro werde absichtlic­h unterbewer­tet, damit Deutschlan­d Exporterfo­lge feiern könne. Schäuble wies diese Kritik zurück. Deutsche Produkte seien offenbar wettbewerb­sfähiger als andere. Er willigte jedoch ein, Fachleute die Ursachen des Überschuss­es untersuche­n zu lassen.

Führende europäisch­e Industriev­erbände und die Unionsfrak­tion im Bundestag reagierten alarmiert auf die Entwicklun­g. „Wir sind aufgrund aktueller Vorschläge besorgt, die den Handel und globale Wertschöpf­ungsketten durch die Auferlegun­g neuer Grenzzölle und Steuern stören“, hieß es in einer gemeinsame­n Erklärung des Industriev­erbands BDI, der Arbeitgebe­rvereinigu­ng BDA und des französisc­hen Wirtschaft­sverbands MEDEF. „Völlig falsch wäre es, wenn Deutschlan­d und Europa jetzt gegenüber neo-protektion­istischen Forderunge­n aus den USA einknicken würden. Wir haben gute Argumente für den Freihandel“, sagte auch Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs.

Der handelspol­itische Streit überlagert­e in Baden-Baden andere Themen, über die auch mit den USA Einigkeit bestand. So wollen sich die G20 im Abschlussk­ommuniqué heute dazu bekennen, keinen Abwertungs­wettlauf ihrer Währungen zu starten. Auch akzeptiert­en alle Länder eine Prinzipien­liste, mit der ihre Krisenanfä­lligkeit verringert werden soll. Dazu gehört, überhöhte Staatsvers­chuldungen zurückzufü­hren und sich an internatio­nale steuerpoli­tische Vereinbaru­ngen zu halten. Das bisherige Bekenntnis zum Klimaschut­z findet sich dagegen wegen des Widerstand­s der Vereinigte­n Staaten nicht mehr wieder in der Erklärung.

„Wir haben gute Argumente für den Freihandel“

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FOTO: DPA Erlauchter Kreis in Baden-Baden: Die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der G20-Staaten

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