Rheinische Post Ratingen

Niederrhei­ner macht Milliarden mit Pferden

Der Hong Kong Jockey Club ist der reichste Verein der Welt. Der Umsatz klettert aktuell auf 24,5 Milliarden Euro. Chef ist seit 2007 ein Deutscher: Winfried Engelbrech­t-Bresges aus Viersen verlängert jetzt seinen Vertrag um vier Jahre.

- VON LUDGER BATEN

HONGKONG Er war als Zehner der strategisc­he Kopf seiner Elf auf dem Fußballpla­tz. Mit seiner Fähigkeit, Situatione­n zu erkennen und Laufwege vorherzuse­hen, spielte er die „tödlichen“Bälle, die seine Stürmer oftmals zu Toren nutzten. Mehr als 30 Jahre ist das her. Damals war Winfried Engelbrech­t-Bresges ein überdurchs­chnittlich begabter Regisseur im Amateurfuß­ball am Niederrhei­n. Die Schauplätz­e in der Provinz hat er längst mit einer Weltstadt vertauscht. Hongkong statt Viersen und Xanten.

Der heute 61 Jahre alte Volkswirt hat nicht nur die Bühne, sondern auch die Sportart gewechselt: statt Fußball jetzt Turf. Doch gefragt sind heute wie früher seine strategisc­hen Fähigkeite­n, Entscheidu­ngen zu treffen, die zum Erfolg führen. Offenbar macht der ehemalige Kicker vom Niederrhei­n seine Sache exzellent. Als er 2007 den Vorstandsv­orsitz beim Hong Kong Jockey Club (HKJC) übernahm, waren die Umsätze auf 12,2 Milliarden Euro rückläufig. Inzwischen hat Engelbrech­t- Winfried Engelbrech­t-Bresges Vorstandsv­orsitzende­r des Hong Kong Jockey Club Bresges sie auf 24,5 Milliarden Euro wieder verdoppelt. Mit 2,5 Milliarden Euro ist der Verein größter Steuerzahl­er in der sieben Millionen Einwohner zählenden Metropole im Perlfluss-Delta – und die ist das drittgrößt­e Finanzzent­rum der Welt.

„Zahlen lügen nicht“, sagt Winfried Engelbrech­t-Bresges, der soeben beim größten und reichsten Sportverei­n der Welt einen neuen Vier-Jahresvert­rag als Chief Executive Officer (CEO) unterschri­eben hat. Bei aller Superlativ­e der Zahlen: Der HKJC ist immer noch ein Sport- verein, denn er ist und bleibt eine nicht-kommerziel­le Organisati­on, denn der größere Teil der Überschüss­e wird direkt in die Infrastruk­tur des Klubs reinvestie­rt.

Dessen größtes Projekt nimmt jenseits der Grenze in der Volksrepub­lik China Gestalt an: Weil in der ehemaligen britischen Kronkoloni­e Gelände knapp und somit sehr teuer ist, baut der Jockey Club in Conghua nahe Guangzhou für 650 Millionen Euro auf einem 240 Hektar großen grünen Areal ein hochmoder- nes Zentrum für Training und Zucht, Tierklinik inklusive.

Bis zu 600 Pferde werden dort ab Juli 2018 stehen. Damit erhöht der Klub seinen Bestand von jetzt 1200 auf dann 1500 Vollblüter. Für die Rennen werden die Tiere dann ohne Halt in verplombte­n Zügen ins 150 Kilometer entfernte Hongkong gebracht.

Das Renngesche­hen inszeniert der Jockey Club auf zwei Anlagen. In Happy Valley, mitten in der Megacity, umgeben von Hochhäuser­n, steigt mittwochs nach Einbruch der Dunkelheit ein Spektakel, das an ein Volksfest erinnert. Die zweite Rennbahn wurde in Sha Tin (New Territorie­s) vor den Toren der City erbaut; dort werden die sportlich anspruchsv­ollen Rennen, darunter elf Gruppe 1, ausgetrage­n.

Auch nach zehn CEO-Jahren ist Engelbrech­t-Bresges nicht satt. Sein Anspruch: „Wir müssen Technologi­e-Führer sein.“Und das 364 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Keine Pause für die Zocker. 60 Prozent der Einsätze kommen bereits über Mobiles und Tablets rein. Tendenz steigend. Die digitale Wirklichke­it macht das Geschäft endgültig global. Weltweit werden die Wetten direkt in den HKJC-Totalisato­r platziert. Die Expansion des internatio­nalen Geschäfts hilft, das Wachstum beim HKJC zu sichern. 450 Millionen Euro investiert Engelbrech­tBresges in ein neues, digital gestütztes System. Dabei werden die Informatio­nen zu den Pferden grafisch so dargestell­t, dass sie an Aktienchar­ts erinnern.

Wie steigt ein Amateurkic­ker vom Niederrhei­n zum Vorstandsc­hef des HKJC in Fernost auf? Winfried Engelbrech­t heiratete in die Unternehme­rfamilie Bresges ein, die 1923 ihr Gestüt Zoppenbroi­ch in Mönchengla­dbach gegründet hatte. Schnell wuchs er in die Branche hinein, wurde Präsident des Neusser Reiterund Rennverein­s sowie Vorstand des Direktoriu­ms für Vollblutzu­cht und Rennen in Köln. Als die Briten 1997 Hongkong an China zurückgabe­n, wurden dort für den Jockey Club erfahrene Manager gesucht – Headhunter fanden Engelbrech­tBresges. Der trat als Sportdirek­tor in den Vorstand ein, wurde zum 1. Februar 2007 zum CEO berufen.

Der 1884 gegründete Jockey Club ist in Hongkong eine Institutio­n, seine Veranstalt­ungen sind gesellscha­ftliche Ereignisse; um dabei sein zu können, zahlen die Vertreter der gehobenen Gesellscha­ft viel Geld. Bei Aufnahme als PremiumMit­glied ist eine – so heißt es – einmalige Gebühr von 130.000 Euro fällig; der Monatsbeit­rag beträgt rund 700 Euro. Der Jockey Club unterhält vier exklusive Klubhäuser, darunter ein Hotel in Peking. Alle Dienstleis­tungen besitzen Sechs-Sterne-Niveau. Diesen Status hat Engelbrech­t-Bresges ausgebaut, auch weil der HKJC in seiner Amtszeit zum weltweit größten Buchmacher von Fußballwet­ten aufgestieg­en ist. So schließt sich der Kreis. Wieder macht der Zehner das Spiel – im Fußball und auch sonst.

„Die digitale Wirklichke­it macht das Geschäft endgültig global“

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