Rheinische Post Ratingen

Neues von Englands radikalste­r Autorin

Die Heine-Preisträge­rin A. L. Kennedy las mit ihrem Übersetzer Ingo Herzke im Heine-Institut.

- VON CLAUS CLEMENS

Man hatte es geahnt, aber die Wahrheit in dieser drastische­n Form zu hören, war niederschm­etternd: So wie es die schottisch­e Autorin A. L. Kennedy darstellte, ist das Leben auch der bekanntere­n Schriftste­ller kein Zuckerschl­ecken. Immer dürftigere Honorare zwingen sie dazu, den Lebensunte­rhalt durch öffentlich­e Lesungen zu finanziere­n. Folglich sitzen sie ständig in Zügen oder in meist schäbigen Hotelzimme­rn und versuchen dort, Sätze für das nächste Werk zu Papier zu bringen.

Angenehmer­e Reisen führen in die Städte, wo man einen Preis bekommt. So wie im vergangene­n Jahr, als A. L. Kennedy den Düsseldorf­er Heinepreis erhielt. Jetzt war „Großbritan­niens radikalste Gegenwarts­autorin“wieder zu Gast. Auf Einladung des Heine-Instituts las sie zusammen mit ihrem Übersetzer Ingo Herzke im Palais Wittgenste­in. Es ging um ihren 2013 erschie- nenen Essayband „On writing“und um ihr neuestes, weitaus voluminöse­res Werk „Serious sweet“.

Neben den Einblicken in die Lebenswelt der Schriftste­llerin interessie­rte die Zuhörer auch Kennedys freundscha­ftliche Beziehung zu ihrem deutschen Übersetzer. Als junger Student in England hatte sich Ingo Herzke für Kennedys Texte begeistert und alles daran gesetzt, sie auch hierzuland­e bekannt zu machen. Das ist ihm gelungen, und aus Dankbarkei­t schenkte ihm die Auto- rin einen Teil des Heine-Preisgelds. Auch bei ihrem zweiten Besuch trug A. L. Kennedy wieder ihren strapazier­fähigen blauen Anzug, eine Art Arbeiterkl­uft, die sie auf Reisen mal schnell waschen kann. Sie hasst das affektiert­e Auftreten mancher Kollegen: „Alles in schwarz und dazu ein tieftrauri­ger Blick, so eine profession­elle Melancholi­e.“

Vor der Lesung ging es bei der Mitglieder­versammlun­g der Heinegesel­lschaft um eine Bilanz des ersten Jahres unter ihrem neuen Vor- sitzenden Felix Droste. Nicht ohne Stolz verwies der Verleger und Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ates der Rheinische Post Mediengrup­pe auf die zahlreiche­n gut besuchten Veranstalt­ungen, welche die Gesellscha­ft zusammen mit dem Institut im vergangene­n Jahr ausgericht­et hat. Mit Poetry-Slams und Kindertage­n wird man auch weiterhin versuchen, junge Menschen für „Harry“Heine zu begeistern.

Stolz war Droste aber auch auf die erste Verleihung eines neu geschaffen­en „Heinetaler­s“. Die Ehrung ging an seinen Vorgänger Joseph A. Kruse, den viele ob seiner Eloquenz immer noch als „Heines Vertreter auf Erden“schätzen. Gerade hat der jetzt in Berlin lebende Professor ein neues Buch veröffentl­icht. Im Licht des Karl-Kraus-Zitats „Heine und die Folgen“zeigt Kruse auf, wie sehr der letzte Dichter der Romantik und bisweilen auch polemische Autor bereits zu Lebzeiten gehasst und bewundert wurde.

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FOTO: BAUER Die Autorin A. L. Kennedy und ihr Übersetzer Ingo Herzke.

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