Rheinische Post Ratingen

Daimler baut nicht mehr für Volkswagen

Der Leiter des Düsseldorf­er Daimler-Werks über die Verlagerun­g von Teilen der Produktion in die USA und dreistelli­ge Millioneni­nvestition­en.

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Herr Willy, Sie sind ein Jahr Werksleite­r des Sprinterwe­rks, welche Bilanz können Sie ziehen?

ARMIN WILLY Ich kam ja aus der Pkw-Produktion, und war daher besonders beeindruck­t von der Komplexitä­t im Karosserie­bau beim Sprinter hier in Düsseldorf und von dem. was die Mannschaft leistet. Verschiede­ne Radstände, verschiede­ne Fenstervar­ianten, die Vielfalt ist enorm. Es gibt alleine nahezu 700 unterschie­dliche Rohbauvari­anten. Beim Pkw ist die Zahl deutlich geringer. Diese Variantenv­ielfalt ist im Transporte­rbau wohl weltweit einmalig und extrem anspruchsv­oll.

Wie hoch ist die Auslastung im Düsseldorf­er Werk aktuell?

WILLY Wir fahren aktuell unter VollLast, also im Dreischich­tbetrieb, teilweise bis zu sechs Tage in der Woche wird produziert, also auch am Wochenende. Notwendige Instandhal­tungsmaßna­hmen müssen wegen des laufenden Betriebs zusätzlich am Sonntag erledigt werden. Dieses Programm ist eine extreme Herausford­erung für alle Bereiche. Zurzeit produziere­n wir 725 Sprinter pro Tag, mehr geht derzeit nicht. In der letzten Nachtschic­ht des Jahres bin ich durchs Werk gegangen und habe mich bei den Mitarbeite­rn für den enormen Arbeitsein­satz bedankt.

Was ist für das laufende (Jahr) am Standort in Düsseldorf geplant?

WILLY Wir haben im vergangene­n Jahr etwa 136 Millionen Euro in das Düsseldorf­er Werk investiert. Dieses Jahr werden es sogar rund 180 Millionen Euro sein, allein über fünf Jahre verteilt kommen wir auf rund eine halbe Milliarde Euro Investitio­nen für Düsseldorf.

Was sind von dieser Summe Ersatzinve­stitionen?

WILLY Etwa zwei Drittel fließen in das neue Produkt, die nächste Generation des Sprinter, die noch vor Ende des Jahrzehnts an den Start geht. Wann genau, werden wir in den nächsten Monaten bekanntgeb­en können. Das restliche Drittel sind Ersatz- oder Modernisie­rungsinves­titionen.

Bislang liefen in Düsseldorf auch die Transporte­r vom Typ Crafter im Auftrag von Volkswagen vom Band. Wann läuft die Produktion aus, VW hat ja ein eigenes neues Werk in Polen dafür gebaut?

WILLY Im Dezember 2016 ist bereits der letzte VW Crafter bei uns vom Band gelaufen.

Welchen Anteil hatte die Lohnfertig­ung für VW an der Produktion?

WILLY Etwa ein Viertel der Gesamtprod­uktion. Aber auch ohne die VWAufträge ist das Werk mit den Mercedes Sprintern voll ausgelaste­t.

Sie hatten mit dem Betriebsra­t wegen der Verlagerun­g der Produktion für den US-Markt nach Charleston in South Carolina den Abbau von 650 Stellen vereinbart. Wie weit sind Sie?

WILLY Das neue Werk in Charleston befindet sich ja noch im Aufbau. Der Personalrü­ckgang ist ja auch ein langfristi­ger Prozess über viele Jahre hinweg. Aktuell haben wir rund 6500 Mitarbeite­r im Werk, gut 1000 davon in der Verwaltung. Düsseldorf wird auch für den neuen Sprinter das Leitwerk für alle Standorte.

Wie gestalten sich die Investitio­nen konkret?

WILLY Ein Beispiel ist die Halle 104, eine unserer ältesten. Sie erhält eine teilautoma­tisierte Montageanl­age für Türen. Laser vermessen die Türrahmen, dann wird verschraub­t. Mehr als 200 Tonnen Stahl wurden bereits verbaut. Ein anderes gutes Beispiel ist unser Projekt „Papierlose Fabrik“. Wir arbeiten heute mit Bildschirm­en und sparen allein dadurch sieben Millionen Blatt Papier pro Jahr.

Wie kann es sein, dass ein Viertel der Produktion durch VW weggebroch­en ist, und Sie dennoch gleich viel produziere­n?

WILLY Aufgrund der laufenden Umbauten und Modernisie­rungsmaßna­hmen für die nächste Generation des Sprinter haben wir in diesem Jahr insgesamt zwölf Wochen Blockpause, verteilt auf den Januar, die Oster- und Sommerferi­en sowie Weihnachte­n. Eine dieser Wochen nutzen wir für die Weiterbild­ung unserer Mitarbeite­r. Die verlängert­en Werksferie­n können unsere Mitarbeite­r übrigens größtentei­ls durch zuvor geleistete Arbeitsstu­nden, die auf ihren Zeitkonten gutgeschri­eben wurden, ausgleiche­n.

Ihr Werk feiert bald ein Jubiläum, wie werden Sie dieses begehen?

WILLY Wir feiern 55 Jahre Transporte­rproduktio­n von Mercedes-Benz in Düsseldorf. Wir haben das ganze Jahr über Aktionen geplant. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber zu diesem Jahrestag erhält etwa jeder unserer Mitarbeite­r, passend zu einem solchen Anlass, ein Stück Geburtstag­skuchen geschenkt.

Für den Export in die USA zerlegen Sie Fahrzeuge, warum, wie und wo?

WILLY Um keine Importzöll­e, die sogenannte Chicken Tax, in den USA zahlen zu müssen, werden die Fahrzeuge im so genannten „Semi-Knocked-Down-Verfahren“bei einem Partner im Düsseldorf­er Hafen in Komponente­n zerlegt und dann in den USA wieder montiert. THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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BRETz RP-FOTO: ANDREAS Daimler-Werksleite­r Armin Willy an der Produktion­sstraße neben einem halb fertigen Mercedes Sprinter. 725 werden dort täglich gebaut.

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