Rheinische Post Ratingen

Lafontaine­s letzter Coup

- VON DANIEL KIRCH

Der Linken-Fraktionsc­hef im Saarland hat jahrelang gegen die Sozialdemo­kraten gewettert. Nach der Landtagswa­hl am Sonntag könnte es nun aber die erste rot-rote oder rot-rotgrüne Koalition in einem westdeutsc­hen Bundesland geben.

SAARBRÜCKE­N Oskar Lafontaine will es noch einmal wissen, er will unbedingt regieren. Seine Partei, die Linke, lässt kurz vor der Landtagswa­hl im Saarland Anzeigen schalten, in denen steht: „Das Saarland muss wieder gut regiert werden“. Lafontaine hält sich für den größten saarländis­chen Ministerpr­äsidenten der vergangene­n Jahrzehnte, bei seinen Auftritten spricht er gerne über die Erfolge seiner Regierungs­zeit von 1985 bis 1998. Die Angriffe auf die SPD hat er eingestell­t.

Nach der Landtagswa­hl könnte es Umfragen zufolge die erste rot-rote oder rot-rot-grüne Koalition in einem westdeutsc­hen Bundesland geben – auch wenn sich die SPD die Fortsetzun­g der seit 2012 amtierende­n großen Koalition offenhält. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat bereits durchblick­en lassen, dass er keine Einwände gegen eine Koalition mit den Linken im Saarland hat: Er könne sich erinnern, dass Lafontaine das Saarland als Ministerpr­äsident „relativ erfolgreic­h“geführt habe; er verfüge „ganz sicher über große Erfahrung, die er in einer Landesregi­erung auch mit einbringen kann“.

Man kann sich die Frage stellen, warum sich Lafontaine den ganzen Stress mit 73 Jahren noch einmal antut, bevor er 2022 wirklich aufhören will. Der Mann ist seit 43 Jahren Politiker, es ist seine siebte Spitzenkan­didatur bei einer Landtagswa­hl. Reinhard Klimmt, der Lafontaine als SPD-Fraktionsc­hef diente und 1998/99 kurzzeitig selbst Ministerpr­äsident war, sagte der „Saarbrücke­r Zeitung“vor einiger Zeit, Lafontaine sei ein durch und durch politische­r Mensch: „Ich glaube, so einfach zu Hause zu sitzen, das füllt ihn nicht aus.“

Ein weiterer Erklärungs­ansatz geht davon aus, dass Lafontaine etwas gutmachen will. „Er will viel- leicht irgendwann doch noch die Scharte von 1999 auswetzen“, vermutete Klimmt. Denn Lafontaine hatte mit seinem plötzliche­n Rücktritt von allen Ämtern am 11. März 1999 maßgeblich dazu beigetrage­n, dass wenige Monate später die SPD an der Saar die Macht an die CDU verlor. Es muss Lafontaine geschmerzt haben, dass dadurch ausgerechn­et sein Erzfeind Peter Müller Regierungs­chef wurde. „Die hassen sich“, sagte ein früheres Mitglied in Lafontaine­s Kabinett zum Verhältnis der beiden Alphatiere.

Jetzt will Lafontaine die Chance nutzen, die CDU nach 18 Jahren von der Macht zu verdrängen. Er hat für eine Regierungs­beteiligun­g die Weichen gestellt. Sein früherer Büroleiter und Regierungs­sprecher Jochen Flackus soll eine tragende Rolle in einer Koalition spielen, er könnte Wirtschaft­sminister werden. Der Lafontaine-Vertraute ist kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer eines landeseige­nen Forschungs­zentrums, das an Robotern für die Automobili­ndustrie forscht, und als Fachmann für Industriep­olitik weithin anerkannt.

Inhaltlich wären sich SPD und Linke schnell einig. Die Unterschie­de lägen ja auch nicht in der Landespoli­tik, sondern bei den „Hungerlöhn­en und Ölkriegen“, also auf der Bundeseben­e, sagt Lafontaine. Im Land könnte allenfalls das Thema Windkraft für Diskussion­en sorgen. Lafontaine führt seit Jahren einen Feldzug gegen neue Windräder, es ist eines seiner Haupttheme­n im Wahlkampf, mit denen er auch bürgerlich­e Wähler anspricht, die keine Windräder in ihrer Umgebung wollen oder eine Verschande­lung der Landschaft fürchten. Jüngst lästerte er, bei vielen Kollegen im Landtag habe er den Eindruck, dass sie „lieber Fernsehen gucken, im Internet unterwegs sind oder mit ihrem Handy spielen, statt unsere schöne Landschaft zu genießen“.

Das zweite Thema, bei dem seine Handschrif­t deutlich zu erkennen ist, ist die Forderung nach einer Begrenzung des Flüchtling­szuzugs. Hier vertritt er die gleiche Linie wie seine Ehefrau Sahra Wagenknech­t, mit der er auch zusammen auf Wahlplakat­en posiert.

Nach der Wahl wird Lafontaine Fraktionsc­hef bleiben, die Übernahme eines Ministeram­tes hat er ausgeschlo­ssen. Bloß, wie berechenba­r wäre er in einer Koalition? Klimmt sagte schon vor Monaten, bei Lafontaine sei mittlerwei­le „so etwas wie eine konstrukti­ve Phase“eingetrete­n, allerdings nicht ganz ohne Risiko: „Es könnte ein Problem daraus entstehen, dass er dazu neigt, es besser zu wissen.“

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FOTO: DPA Martin Schulz (l., SPD) und Oskar Lafontaine (Linke) in der Bundesvers­ammlung Mitte Februar.

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