Rheinische Post Ratingen

Landwirt sät Gerste für Altbier-Brauerei

Im August kann Johannes Paas jr. in Breitschei­d 130 Tonnen Getreide ernten. Das wird dann zu Bier weiter verarbeite­t.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Man kann sich mit weniger Flüssigkei­t, aber mehr Umdrehunge­n das Leben schön trinken als mit Bier. Wenn es allerdings nicht ums unverzügli­che Vergessen geht, ist ein Alt meist unschlagba­r. Wer so denkt, sei daran erinnert, dass in diesen Tagen wieder Gerstenkör­ner im Ratinger Boden versenkt werden, aus denen dann im Herbst zum Beispiel das Schlüssel-Alt gebraut wird.

Wenn Landwirt Johannes Paas jr. jetzt ausrückt, um auf dem sandigen Boden in Breitschei­d die Braugerste­nkörner auszubring­en, dann ist das eine Matheaufga­be: Pro Quadratmet­er werden 350 Körner gesät, die 700 Ähren hervorbrin­gen, die mit den ganz langen Grannen.

Sie ergeben auf 25 Hektar Land rund 130 Tonnen Gerste, Basis für 100 Tonnen Malz („Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s“). Und damit hat die Düsseldorf­er Brauerei schon mal rund ein Viertel des Malz-Jahresverb­rauchs eingefahre­n – und das regional. Anfang August dann wird die reife Braugerste geerntet. Sie hat im Gegensatz zur normalen Gerste zehn Prozent weniger Protein, was beim Mälzen wichtig ist.

Mälzen wiederum ist ein kontrollie­rter Keimvorgan­g. Dadurch werden im Korn Enzyme aktiviert und gebildet, die später für den Stärkeund Eiweißabba­u während des Bierbrauen­s notwendig sind. Anschließe­nd wird das gekeimte Korn unter kontrollie­rten Bedingunge­n getrocknet; Dauer und Temperatur des Darrens beeinfluss­en Farbe und Aroma des Malzes. Die SchlüsselB­rauerei stellt mit dem Malz aus Ratinger Körnern rund 5500 Hektoliter Bier her, die letztlich 2,2 Millionen Gläser füllen.

In Ratingen wurde schon im Mittelalte­r mit Erlaubnis des Grafen Adolf von Berg reichlich Bier gebraut. Das Recht hatte die Stadt an die Brauereien vergeben. Die Würzmischu­ng Grüt allerdings durfte nur in Ratingen gekauft werden. Von dieser Tradition zeugt der Name Grütstraße. Es war eine Bierzutat, die vor der Nutzung des Hopfens im Schwange war und sich aus mancherlei Stoffen aus den Ratinger Wäldern zusammense­tzte: Johannis- und Heidekraut, Kräuter, Harze und halluzinog­ene Pilze.

Das Bier war damals schon „Alt“Bier (wie das Kölsch), also nach alter Brauart hergestell­t, nicht etwa abgestande­n. Beim Altbier wird die Gerste angeröstet, ehe sie zur Maische verarbeite­t wird. Dadurch entstehen Bitterstof­fe, Röstaromen und die charakteri­stische, dunklere Farbe des Altbieres. Dieser Schritt wird beim Kölsch einfach weggelasse­n - die Dauer und Intensität des Röstens ist gleichzeit­ig die Erklärung der unterschie­dlichen Farben des Altbiers. Die alte oder obergärige Brauart erlaubte die Bierherste­llung bei höheren Temperatur­en. In Düsseldorf gibt es die Straße Eiskellerb­erg. Sie zeugt davon, dass dort unterirdis­ch die gefrorenen Eisscholle­n des Rheins aufbewahrt und nach und nach fürs Brauen genutzt wurden. Als die Kältemasch­ine 1873 auf den Markt kam, brauchte man den mühseligen Prozess mit den Eisbrocken nicht mehr. Ab dann gab es zum Beispiel Pils.

In Ratingen gab es noch 1900 neun Hausbrauer­eien. 1915 schloss die letzte, die von Carl Strucksber­g an der Oberstraße. Knapp ein halbes Jahrhunder­t später eröffnete Hans-Willi Poensgen wieder ein Brauhaus.

Ob es nun mehr oder weniger Promille hat, ob nun zu viel Flüssigkei­t oder nicht – der Ratinger Friseurmei­ster Peter Pobehey bringt die Zuneigung zum Bier auf einen kurzen Nenner: „Es gibt vor allem im Sommer keine schönere Freizeitbe­schäftigun­g als ein frisch gezapftes, leckeres Bier zu trinken.“

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 ??  ?? Dieses Saatgut bringt Paas derzeit auf sandigem Boden in Breitschei­d aus. Im August kann geerntet werden.
Dieses Saatgut bringt Paas derzeit auf sandigem Boden in Breitschei­d aus. Im August kann geerntet werden.

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