Landwirt sät Gerste für Altbier-Brauerei
Im August kann Johannes Paas jr. in Breitscheid 130 Tonnen Getreide ernten. Das wird dann zu Bier weiter verarbeitet.
RATINGEN Man kann sich mit weniger Flüssigkeit, aber mehr Umdrehungen das Leben schön trinken als mit Bier. Wenn es allerdings nicht ums unverzügliche Vergessen geht, ist ein Alt meist unschlagbar. Wer so denkt, sei daran erinnert, dass in diesen Tagen wieder Gerstenkörner im Ratinger Boden versenkt werden, aus denen dann im Herbst zum Beispiel das Schlüssel-Alt gebraut wird.
Wenn Landwirt Johannes Paas jr. jetzt ausrückt, um auf dem sandigen Boden in Breitscheid die Braugerstenkörner auszubringen, dann ist das eine Matheaufgabe: Pro Quadratmeter werden 350 Körner gesät, die 700 Ähren hervorbringen, die mit den ganz langen Grannen.
Sie ergeben auf 25 Hektar Land rund 130 Tonnen Gerste, Basis für 100 Tonnen Malz („Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s“). Und damit hat die Düsseldorfer Brauerei schon mal rund ein Viertel des Malz-Jahresverbrauchs eingefahren – und das regional. Anfang August dann wird die reife Braugerste geerntet. Sie hat im Gegensatz zur normalen Gerste zehn Prozent weniger Protein, was beim Mälzen wichtig ist.
Mälzen wiederum ist ein kontrollierter Keimvorgang. Dadurch werden im Korn Enzyme aktiviert und gebildet, die später für den Stärkeund Eiweißabbau während des Bierbrauens notwendig sind. Anschließend wird das gekeimte Korn unter kontrollierten Bedingungen getrocknet; Dauer und Temperatur des Darrens beeinflussen Farbe und Aroma des Malzes. Die SchlüsselBrauerei stellt mit dem Malz aus Ratinger Körnern rund 5500 Hektoliter Bier her, die letztlich 2,2 Millionen Gläser füllen.
In Ratingen wurde schon im Mittelalter mit Erlaubnis des Grafen Adolf von Berg reichlich Bier gebraut. Das Recht hatte die Stadt an die Brauereien vergeben. Die Würzmischung Grüt allerdings durfte nur in Ratingen gekauft werden. Von dieser Tradition zeugt der Name Grütstraße. Es war eine Bierzutat, die vor der Nutzung des Hopfens im Schwange war und sich aus mancherlei Stoffen aus den Ratinger Wäldern zusammensetzte: Johannis- und Heidekraut, Kräuter, Harze und halluzinogene Pilze.
Das Bier war damals schon „Alt“Bier (wie das Kölsch), also nach alter Brauart hergestellt, nicht etwa abgestanden. Beim Altbier wird die Gerste angeröstet, ehe sie zur Maische verarbeitet wird. Dadurch entstehen Bitterstoffe, Röstaromen und die charakteristische, dunklere Farbe des Altbieres. Dieser Schritt wird beim Kölsch einfach weggelassen - die Dauer und Intensität des Röstens ist gleichzeitig die Erklärung der unterschiedlichen Farben des Altbiers. Die alte oder obergärige Brauart erlaubte die Bierherstellung bei höheren Temperaturen. In Düsseldorf gibt es die Straße Eiskellerberg. Sie zeugt davon, dass dort unterirdisch die gefrorenen Eisschollen des Rheins aufbewahrt und nach und nach fürs Brauen genutzt wurden. Als die Kältemaschine 1873 auf den Markt kam, brauchte man den mühseligen Prozess mit den Eisbrocken nicht mehr. Ab dann gab es zum Beispiel Pils.
In Ratingen gab es noch 1900 neun Hausbrauereien. 1915 schloss die letzte, die von Carl Strucksberg an der Oberstraße. Knapp ein halbes Jahrhundert später eröffnete Hans-Willi Poensgen wieder ein Brauhaus.
Ob es nun mehr oder weniger Promille hat, ob nun zu viel Flüssigkeit oder nicht – der Ratinger Friseurmeister Peter Pobehey bringt die Zuneigung zum Bier auf einen kurzen Nenner: „Es gibt vor allem im Sommer keine schönere Freizeitbeschäftigung als ein frisch gezapftes, leckeres Bier zu trinken.“