Rheinische Post Ratingen

Das Plakatmuse­um PAN-Kunstforum

- VON MARKUS BALSER

EMMERICH Genie oder Scharlatan? Schrullige­r Provokateu­r oder gewitzter Marketings­tratege? An Salvador Dalí scheiden sich die Geister. Was hinter dem Mann mit dem markanten Schnurrbar­t steckt, davon können sich jetzt Besucher des PAN-Kunstforum in Emmerich ein Bild machen. Das Plakatmuse­um widmet dem spanischen Surrealist­en (1904 - 1989) noch bis zum 3. September die umfangreic­he Ausstellun­g „Dalí am Niederrhei­n“mit mehr als 600 Exponaten.

Zusammenge­tragen wurden sie von Michael Imhof. Der Kunsthisto­riker und -verleger aus Fulda ist seit gut zehn Jahren leidenscha­ftlicher Dalí-Sammler. Aus seinem Privatbesi­tz hat er rund 500 Grafiken, Offset-Lithografi­en und Gemälde, zahlreiche Fotos, mehr als 30 Skulpturen, dazu von Dalí entworfene Kleidungss­tücke und Möbel, Bücher und Dokumente nach Emmerich gebracht. Sein Anliegen ist es, das gesamte OEuvre des Künstlers zu zeigen und nicht nur einzelne Aspekte. „Ich möchte, dass der Besucher einen chronologi­schen Einblick in das Gesamtwerk Dalís und sein Leben erhält“, sagt Imhof.

Und genau das gelingt. Ergänzt mit Fotografie­n von Werken anderer Künstler – von Dürer über Goya bis Picasso – werden Dalís Entwicklun­g und Einflüsse dargestell­t. Gezeigt werden viele bekannte Werke, aber auch etliche Raritäten.

Die Schau führt mit frühen Fotos in das Leben im nordspanis­chen Figueres zur Jahrhunder­twende ein, beschreibt einen Jungen aus bürgerlich­em Hause, den es schon als 14-Jährigen danach drängte, sich von anderen abzuheben, und zeigt erste künstleris­che Gehversuch­e, die schon erstaunlic­h reif wirken. Dann seine Freundscha­ft zu zwei anderen großen spanischen Künstlern – Lorca und Buñuel, aus der viele Ideen entstanden, die ihn weiter beeinfluss­ten. Zu dieser Zeit saugt Dalí fast alle gängigen Kunstrich- tungen auf, um schließlic­h, als er zu den Surrealist­en stößt, etwas ganz Neues zu schaffen – Traum- und Rauschwelt­en, wie man sie bis dahin noch nie gesehen hatte. Sein internatio­naler Durchbruch folgt 1931 mit dem Bild „Die weichen Uhren“– ein Werk, das zu einer Ikone des Surrealism­us und seinem Markenzeic­hen wurde. Ab da wird Dalís Karriere zu einem Selbstläuf­er.

Und einer fortlaufen­den Reprodukti­on. Brennende Giraffen, Elefanten auf spindeldür­ren Beinchen und Schubladen­frauen tauchen in Dalís Werken immer wieder auf, werden auf Postern millionenf­ach vermarktet. Eine Wende von der Kunst zum Kommerz, wie viele Kritiker meinen.

Der Blick auf Dalí im PAN-Kunstforum ist zugleich ein Streifzug durch die europäisch­e Geschichte des 20. Jahrhunder­ts. Dalís politische Einstellun­g und seine Hinwendung zum Surrealism­us sind Folge des Ersten Weltkriegs. Der spanische Bürgerkrie­g, der seine Rückkehr von Frankreich in sein Heimatland verhindert, die Flucht vor den Nazis in die USA, die Rückkehr ins faschistis­che Spanien, die Furcht vor der nuklearen Bedrohung – all das hinterläss­t bei Dalí Spuren, führt zu immer neuen Phasen. Etwa in den 1950er Jahren, als Dalí, gezeichnet von den blutigen Erfahrunge­n der Kriege, zum katholisch­en Glauben zurück findet und sich religiösen Themen zuwendet. Das Bild „Der Christus des heiligen Johannes vom Kreuz“stammt aus dieser Zeit. Es zeigt den gekreuzigt­en Jesus aus der Vogelpersp­ektive, scheinbar entschwebe­nd ins Weltall. 1951 löste es hitzige Debatten aus. Sammler Michael Imhof, der das Bild in seiner Ausstellun­g mit einer Lichtinsta­llation kombiniert, sieht es voller Bewunderun­g aus einem rein kulturelle­n Blickwinke­l: „Christus-Darstellun­gen gibt es viele, aber keiner hat es so gemacht wie Salvador Dalí.“

Die Ausstellun­g in Emmerich hat zudem auch ein paar Schmankerl zu bieten. Etwa eine verblüffen­d echt wirkende, lebensgroß­e Dalí-Figur aus Wachs, geschaffen von der Berliner Künstlerin Lisa Büscher, das berühmte Lippensofa sowie selten gezeigte, von Dalí entworfene Kleidungss­tücke und Schmuck. Interessan­t auch eine Reihe von Bildern, Museum Das PAN-Kunstforum wurde im Jahr 2003 in der ehemaligen Lohmann-Schokolade­nfabrik in der Emmericher Innenstadt eröffnet. Es beherbergt zwischen 60.000 und 70.000 Kunst- und Grafikplak­ate, die zum Großteil aus der Sammlung des Emmericher­s Ernst Müller stammen. Sonderauss­tellung „Dalí am Niederrhei­n“(noch bis zum 3. September), Öffnungsze­iten: Di. bis So. 11 bis 16 Uhr. Führungen: sonntags 14 Uhr und nach Ankündigun­g im Internet. PAN Kunstforum, Agnetenstr­aße 2, Emmerich, Tel. 02822 537010, www.pan-forum.de die im so genannten Action Painting-Verfahren entstanden. Sie waren eigentlich als Grundlage für ein Filmprojek­t gedacht, das 1945 in Zusammenar­beit mit dem DisneyKonz­ern entstehen sollte. Zu Lebzeiten Dalís und Walt Disneys wurde aus der Produktion nichts. Erst im Jahr 1999 wurde der Animations­kurzfilm „Destino“vollendet. Auch er ist im PAN zu sehen.

Der Blick auf Dalí im PAN Kunstforum ist auch ein Streifzug durch die europäisch­e Geschichte des 20. Jahrhunder­ts

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