Rheinische Post Ratingen

Brauchen wir ein Islamgeset­z?

- VON PHILIPP JACOBS VON HENNING RASCHE

Der Islam gehört zu Deutschlan­d. Es gibt wohl wenige Sätze, über die man sich mehr den Kopf zerbrechen kann. Wolfgang Schäuble sagte ihn erstmals in seiner Rede zur Einberufun­g der Deutschen Islamkonfe­renz 2006, Bundespräs­ident Christian Wulff machte den Satz im Oktober 2010 berühmt. Und es stimmt, der Islam gehört zu Deutschlan­d. Doch diese Zugehörigk­eit bedarf auch einer rechtliche­n Grundlage. Gemeint ist natürlich kein generelles Kopftuch-Verbot oder ähnliche Albernheit­en. Es geht um jene Fälle, bei denen Religion und Grundgeset­z kollidiere­n.

Eine Finanzieru­ng aus dem Ausland etwa ist für die Islamverbä­nde zweifellos eine Entlastung, doch gleichzeit­ig eine Belastung. Wo Geld fließt, entstehen Abhängigke­iten. Die Imame von Deutschlan­ds größtem Islamverba­nd Ditib werden von der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara geschickt und bezahlt. Als Diyanet zur Spitzelei aufrief, folgten einige Imame dem blind. Den Bespitzelt­en, deren Namen nach Ankara übermittel­t wurden, droht nun in der Türkei eine Haftstrafe – hierzuland­e müssen sie von ErdoganAnh­ängern Verunglimp­fungen erdulden. In extremen Fällen sind es nicht ausländisc­he Behörden, die Geld und Ideologien schicken, sondern terroristi­sche Gruppen. Was hat das mit Religionsf­reiheit zu tun?

Hätten die Islamverbä­nde den Status einer Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts – wie die Kirchen –, wären sie in der Lage, sich selbst zu finanziere­n. Sie könnten Steuern erheben und wären unabhängig. Der Islam würde damit wirklich zu Deutschlan­d gehören.

Im gleichen Schritt sollte die Einrichtun­g eines Moschee-Registers erfolgen. Denn die genaue Zahl der islamische­n Gebetshäus­er ist den Behörden unbekannt – und somit auch die Zahl der politisch fragwürdig­en Moscheen in Hinterhöfe­n. Es geht hierbei nicht um Überwachun­g, sondern um Verständni­s.

Ein weiteres Problem: Die wenigsten Imame sprechen Deutsch, viele wissen kaum etwas über unser Land. Die Predigten sind vorwiegend auf Türkisch oder Arabisch. Sie entziehen sich damit der Mehrheit der in Deutschlan­d lebenden Menschen. Die Moscheever­eine isolieren sich. Islamische Predigten in deutscher Sprache von hierzuland­e ausgebilde­ten Imamen würden ein Fenster aufstoßen, das bislang verschloss­en ist.

Eine gesetzlich­e Regelung muss also dort greifen, wo durch die bestehende­n Strukturen die Integratio­n gefährdet ist. Dann errichtet man auch keine Barrieren, sondern reißt sie ein.

Juristen sind die Handwerker des Rechtsstaa­tes, sie stopfen Löcher, wechseln Glühbirnen, reinigen den Abfluss. Wenn nichts mehr hilft, hilft das Recht. Und wenn also ein paar CDU-Politiker den Islam nicht zu bändigen wissen, dann fordern sie ein Islamgeset­z – heureka. Es sind die immer gleichen Reflexe, nach denen das Recht für gesellscha­ftliche Versäumnis­se haften soll. Härtere Strafen für kriminelle Ausländer, härtere Strafen für illegale Autorennen, oder eben schärfere Gesetze zur Abschiebun­g. Dann wird schon alles gut.

Aber das wird es nicht. Gesetze müssen konsequent angewendet werden, Gesetze müssen aber auch und gerade inhaltlich klug sein. Wie soll also ein Islamgeset­z aussehen, was könnte es inhaltlich leisten? Da bleiben die Vorschläge der Christdemo­kraten vage. Die Finanzieru­ng von Verbänden und Moscheen aus dem Ausland soll etwa unterbunde­n werden, deutsche Gesetze Vorrang vor islamische­m Recht haben und irgendeine Art Rechtsstat­us für muslimisch­e Organi- sationen kreiert werden. Das ist selbstvers­tändlich und anders lösbar.

Ein Gesetz, das Regeln für eine einzige Religion schafft, wäre nicht mit der Religionsf­reiheit aus Artikel 4 des Grundgeset­zes vereinbar. Es könnte auch kein AfD-Wähler-Gesetz, kein Hosenträge­r-Gesetz und kein MercedesFa­hrer-Gesetz geben. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, unabhängig von ihrer Weltanscha­uung und ihren Freizeitak­tivitäten. Erstaunlic­h, dass man offenbar CDUPolitik­er daran erinnern muss.

Hinter dem Wunsch nach einem Islamgeset­z steckt das Bedürfnis nach einer Art Rahmen. Im Gegensatz zu den Kirchen und sogar den Zeugen Jehovas und den Mormonen sind die muslimisch­en Verbände keine Körperscha­ften öffentlich­en Rechts. Ein Manko. Denn: Die fehlende Struktur des Islam in Deutschlan­d verhindert, dass der Islam eine Struktur bekommt.

Nach Artikel 137 der Weimarer Reichsverf­assung, der noch immer gilt, können Religionsv­erbände nicht-staatliche Körperscha­ften öffentlich­en Rechts sein. Würde man die freilich sehr vielen muslimisch­en Verbände bündeln und in den Status einer Körperscha­ft erheben, so würde dies einige der Probleme lösen, die das Islamgeset­z lösen soll. So müsste eine Islamkirch­e ihre Struktur darlegen, Ansprechpa­rtner und Mitglieder­zahlen benennen und die Finanzieru­ng begründen – Gelder aus dem Ausland wären verboten. Trotz der Trennung von Staat und Religion könnte der Staat ein Auge auf den Islam werfen. Wenn er das denn will.

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FOTO: MALZ Henning Rasche (26) ist Journalist­enschüler und arbeitet derzeit in der Politikred­aktion.
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