Trump, das Giftgas und die roten Linien
Der Westen macht Syriens Machthaber Assad für den Angriff auf Chan Scheichun verantwortlich. Moskau aber hält an Assad fest – plötzlich steht wieder die Frage eines US-Militärschlags im Raum.
DAMASKUS (RP/dpa) Dieses Mal sind sich fast alle einig: Es war ein Luftangriff, der die Katastrophe in Chan Scheichun in der syrischen Provinz Idlib auslöste. Es war Sarin und nicht Chlorgas, das mittlerweile über 70 Menschen tötete und fast 200 schwer verletzte. Und es war die syrische Luftwaffe, die diesen Angriff flog. Selbst die russische Führung geht inzwischen von einer Beteiligung der syrischen Armee an der folgenschweren Attacke aus.
Über die Details herrscht aber weiter Unklarheit. So ist umstritten, ob das Lager, das angeblich von Rebellen in dem Ort genutzt wurde, absichtlich oder versehentlich bombardiert wurde und ob dort tatsächlich Giftgas gelagert war – wie das russische Militär behauptet. Die syrische Armee weist jegliche Verantwortung zurück: Sie habe niemals Giftgas eingesetzt und werde dies auch nicht tun. Vielmehr seien „terroristische Gruppen“verantwortlich. Die Giftstoffe stammten von „Kämpfern aus dem Irak“.
Dort hält man sich mit Reaktionen dazu bedeckt, denn nicht wenige Mitglieder der irakischen Schiitenmilizen unterstützen den syrischen Diktator Baschar al Assad in Damaskus. Auf der anderen Seite haben sich sunnitische Iraker den islamistischen Terrorgruppen Al Kaida, Al Nusra oder sogar dem IS angeschlossen. Woher das Sarin also wirklich stammt, wird wohl nie vollends aufgeklärt werden.
Saddam Hussein besaß es, hat es aber angeblich nach dem KuwaitKrieg in den 90er Jahren unter UNAufsicht vernichten lassen. Assad besaß es, will es aber im Zuge des Abkommens mit Russland und den USA ebenfalls zerstört haben. Im August 2014 teilte das Pentagon mit, dass 600 Tonnen Chemikalien zur Herstellung von Sarin und von Senfgas „auf offener See“neutralisiert wurden. Damit seien alle von Syrien deklarierten Bestände zur Produktion von Chemiewaffen vollständig vernichtet. US-Präsident Barack Obama sprach damals von einem Meilenstein im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Doch wurde tatsächlich alles zerstört?
Die Untat von Chan Scheichun hat unmittelbare Wirkung bis nach Washington. Mehrmals sprach US- Präsident Donald Trump gestern über die toten Babys in Syrien. Der Angriff sei eine abscheuliche Tat, die man nicht hinnehmen werde. Trump verschärfte seinen Ton gegenüber der Regierung von Baschar al Assad, den er für den Gaseinsatz verantwortlich machte: Die syrische Regierung werde „ein Zeichen erhalten“. Was er damit meint, ließ er zunächst offen.
Trump sagte auch, dass sich seine Einstellung zu Assad geändert habe. Plötzlich steht damit wieder die Frage von US-Militärschlägen gegen die syrische Regierung im Raum. Barack Obama hatte 2013 Assad gewarnt, ein Giftgaseinsatz sei eine „rote Linie“, deren Überschreitung eine Reaktion der USA auslösen werde. Auf einen SarinAngriff bei Damaskus folgten allerdings keine militärischen Taten.
Bisher stand für Trump und seine Regierung der Kampf gegen den IS im Vordergrund. Assads Schicksal war für sie nur zweitrangig. Nun hat Trump eine Wende vollzogen – wobei die Gemengelage in Syrien extrem kompliziert ist. Das macht es