Rheinische Post Ratingen

Die Angst vor dem Achtbeiner

Während der Fahrt entdeckt eine Frau eine Spinne in ihrem Auto und fährt vor Schreck ihr Fahrzeug zu Schrott. Was kürzlich in Kaiserslau­tern passierte, ist kein Einzelfall. Doch es gibt Mittel gegen die Angst vor Spinnen.

- VON MILENA REIMANN UND OLIVIA KONIECZNY

DÜSSELDORF Für viele ist es die Horrorvors­tellung schlechthi­n: Eine Spinne seilt sich während der Fahrt vom Autodach ab, direkt auf den Schoß des Fahrers. Keine Möglichkei­t zu fliehen, keine Zeit, das Tier zu verjagen. Und wenn man es doch versucht, kann das passieren: Eine junge Frau ist am Montag in Kaiserslau­tern mit ihrem Auto gegen den Bordstein gefahren, das Fahrzeug überschlug sich. Sie hatte sich vor einer Spinne erschreckt. Totalschad­en für das Auto, Schleudert­rauma für die Frau.

Der Unfall ist kein Einzelfall. Im Sommer 2015 zum Beispiel erschrickt eine junge Frau in Hessen vor einer Spinne und fährt auf der Gegenspur gegen ein Auto. Ein Paar und ihre beiden Kinder kommen ins Krankenhau­s. Im selben Jahr prallt ein 18-Jähriger in Thüringen mit seinem Wagen gegen einen Baum, weil eine Spinne über die Seitensche­ibe krabbelte. Er bleibt unverletzt, sein Auto ist Schrott. Die Liste ließe sich ergänzen.

„80 Prozent der Menschen empfinden Ekel oder Angst vor den Tieren“, erklärt Spinnenexp­erte Stephan Loksa vom Düsseldorf­er Aquazoo. Der Biologe besucht Menschen, die Angst vor Spinnen haben, zu Hause, um ihnen den Ekel zu nehmen. Dabei setzt er auf behutsame Konfrontat­ion: Im Garten oder der Wohnung sucht er zusammen mit dem Betroffene­n ein Tier. Das wird genau betrachtet, dann wird mit ihm gesprochen. „Man kann die Spinne auch beschimpfe­n und sagen: Geh weg!“, erklärt er. Später nimmt man das Tier auf die Hand. Oft gehe der Ekel dann in Faszinatio­n über, „der Grat ist sehr schmal“.

Auch Psychother­apeuten setzen oft auf Konfrontat­ion. Ein Team an der Universitä­t des Saarlandes zum Beispiel forscht an einer virtuellen Therapie, bei der der Patient der Spinne per Datenbrill­e begegnet.

Woher das Unbehagen gegenüber Spinnen überhaupt kommt? Loksa erklärt es mit deren acht Beinen. „Das ist Chaos!“, sagt er. Kein Mensch könne sehen, in welcher Reihenfolg­e sich die Beine bewegen. „Das passt nicht zu unserem Ordnungssi­nn“, sagt er. Psychologe­n hingegen sehen den Grund für die Angst im Leben unserer Vorfahren: Wer von den damals giftigen Spinnen gebissen wurde, starb. Für die anderen wirkte die Furcht wie ein Schutzmech­anismus. Wer dank seiner Angst überlebte, gab diese an seine Nachfahren weiter. Heute gibt es laut Naturschut­zbund übrigens keine giftigen Spinnen in Deutschlan­d. Nur wenige beißen als Abwehrreak­tion. Ihr Bisse würden maximal ähnliche Symptome wie bei einem Wespenstic­h hervorrufe­n.

Um eine krankhafte Phobie handelt es sich bei dem Ekel vor den Achtbeiner­n aber meist nicht. Denn auch wenn die Grenze zwischen Angst und Phobie fließend ist, zeigt sich letztere häufig durch Panikatta-

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FOTO: THINKSTOCK / MONTAGE: RP Wer während der Fahrt in seinem Auto eine Spinne entdeckt, sollte „cool bleiben, zur Seite fahren und Herr der Lage werden“, rät Fahrlehrer Volker Freigang aus Wesel.

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