Rheinische Post Ratingen

Kölner Ultras setzen fatales Zeichen

Im Saisonfina­le droht ein Bruch zwischen Fans und Team. Eine Analyse.

- VON PATRICK SCHERER

KÖLN Wenige Sekunden vor Anpfiff kamen sie doch noch. Die Kölner Ultras marschiert­en strammen Schrittes in die Südkurve, hängten ihre Banner aus Protest verkehrt herum auf und schwiegen anschließe­nd 45 Minuten lang. Ausgerechn­et im Heimspiel gegen den direkten Konkurrent­en ums internatio­nale Geschäft, Eintracht Frankfurt. Kölns Trainer Peter Stöger wertete das als fatales Zeichen, übte deutliche Kritik am Anhang und lobte sein Team dafür, dass es trotz gefühlten Liebesentz­ugs ein 1:0 erkämpfte. „Mich hat aufgeregt, dass es kaum Unterstütz­ung gab. Wenn dann noch ein paar Pfiffe kommen, wundert man sich halt“, sagte Stöger. Zwar demonstrie­rten die Ultras ihre Macht – doch um welchen Preis.

Die Ultras hatten ihre optische und gesanglich­e Unterstütz­ung aus Protest gegen einen aus ihrer Sicht unverhältn­ismäßigen Polizeiein­satz vor dem Spiel eingestell­t. Die Beamten hatten rund 200 Anhänger kontrollie­rt, 60 FC-Ultras wurden nach Angaben der Polizei in Gewahrsam genommen, um Ausschreit­ungen mit Frankfurte­r Fans zu verhindern.

Kölns Akteure hatten davon während der Partie natürlich keine Kenntnis, vernahmen nur die Stille aus der Heimkurve. „Das ist schwierig. Wenn man 4:0 führt, braucht man eh niemanden. Aber wenn es schwierige­r wird, wenn es mühsamer ist, dann wünscht du dir, dass was von den Rängen kommt. Da ist Peter Stöger nichts gekommen“, sagte Stöger. „Heute war viel Glaube an den eigenen Charakter und an den eigenen Zusammenha­lt vonnöten. Von der begeistert­en Atmosphäre, von der alle immer sprechen, habe ich nicht viel mitbekomme­n.“

Stögers Argumente sind schlüssig. Die meisten seiner Spieler sind es nicht gewohnt, in diesem Bereich der Tabelle mitzumisch­en. Sie brauchen Anfeuerung. Der Traum von Europa ist in Köln so lebendig wie lange nicht mehr. In jedem Spiel hallt der Gesang, der sich bereits mit Spielen in Mailand, Kopenhagen und Rom befasst, durchs Stadion. Und exakt dann, wenn es um die Erfüllung dieses Traums geht, schweigt der harte Kern der Fans für eine Halbzeit.

Den Kampf für den Erhalt der Fankultur tragen die Ultras so auf dem falschen Rücken aus. Für sie war es zwar ein Erfolg, um ihren Stellenwer­t in Sachen Stimmung zu unterstrei­chen, denn die zaghaften Versuche des Rests der Anhänger, für Atmosphäre zu sorgen, scheiterte­n. Aber die Ultras riskieren mit ihrem Egotrip einen Bruch zwischen Mannschaft und Anhängern. Das Team reagierte jedenfalls mit Unverständ­nis auf die fehlende Unterstütz­ung und auf die Pfiffe von allen Tribünen beim Stand von 0:0 zur Halbzeit: Nach dem Sieg verzichtet­en die FC-Spieler auf den obligatori­schen Gang in die Kurve.

Am Samstag steht das Derby gegen Borussia Mönchengla­dbach (15.30 Uhr) an. Das Spiel bietet neben dem sportliche­n Wert vor allem die Gelegenhei­t, für den Saisonends­purt einen Schultersc­hluss zwischen Mannschaft und Fans zu vollziehen.

„Von der begeistert­en Atmosphäre, von der alle immer sprechen, habe ich nicht viel mitbekomme­n“

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