Rheinische Post Ratingen

Sting bringt seine Fans zum Heulen

Der 65-Jährige spielte bei seinem Konzert in Düsseldorf ein Best-of-Programm.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Der Abend ist schon zur Hälfte vorbei, da wird Sting ganz ruhig. Er schließt die Augen, spielt die Ballade „Shape Of My Heart“, man hört nur eine akustische Gitarre und ein bisschen Percussion. Sting singt vom Verlust, der Himmel schickt honiggelbe­s und weiches Licht, und obwohl die Halle so groß und mit 7000 Fans ausverkauf­t ist, fühlt man sich jedem Besucher irgendwie verbunden. „Kannst ruhig heulen“, sagt eine Frau zu ihrer Freundin. Und dann nehmen sie einander in den Arm.

Sting tritt in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf auf. Der 65Jährige spielt wenige neue Nummern und viele seiner Solo-Hits, dazu nahezu den kompletten Bestof-Katalog seiner Band The Police. Man guckt diesem charmanten Kerl gerne zu, und man ist neuerlich davon beeindruck­t, wie es ihm gelingt, für jeden Song die passende Atmosphäre zu schaffen, Stimmungen zu variieren. Es geht einem außerdem noch einmal auf, wie komplex viele seiner Lieder arrangiert sind. „Hung My Head“zum Beispiel ist ein raffiniert­es Stück Pop im 9/8-Takt – so etwas bekommt ja überhaupt nur er hin. Und „Walking On The Moon“ist eine Reggae-Dekonstruk­tion, die zu spielen so fordernd ist, dass die Wenigsten dazu auch noch singen könnten. Sting aber eben doch.

Der größte Teil des Sets ist auffallend druckvoll. Sting spielt in großer Rock-Besetzung, zum Teil sind zehn Leute auf der Bühne, die meisten ziemlich jung. Einer von ihnen ist Stings 40 Jahre alter Sohn Joe Sumner, den der Papa einmal ans Mikro lässt, damit er „Ashes To Ashes“von David Bowie singen kann. Er erinnere sich noch, wie Joe in seiner Wiege lag, während er „Message in A Bottle“schrieb, sagt Sting. Und dann spielen sie gemeinsam „Message in A Bottle“. Sting fühlt sich in dieser Gesellscha­ft offensicht­lich wohl. Er verwandelt „Englishman in New York“in einen Funk-Song, er zelebriert „Pretty Young Soldier“als reine Walzer-Seligkeit, und „Roxanne“ist der Wahnsinn, weil Sting das Lied schön lässig in „Ain’t No Sunshine“von Bill Withers übergehen lässt, dann wieder abbiegt und zurückkehr­t in den Originalso­ng und schließlic­h, ganz am Ende, den Songtitel so wunderbar durchdring­end herausschr­eit, dass man denkt, es ist noch immer 1978.

Sting bewegt sich wenig, er streckt die Brust raus und zeigt OberarmMuc­kis, einmal trinkt er Tee aus einer weißen Tasse. Er ist das Energiezen­trum auf der Bühne, sein schartiger Bass liegt auf seinem flachen Bauch, und manchmal merkt man, dass Sting selbst zufrieden ist mit sich und der Welt. Dann reißt er den Hals seines Instrument­s hoch und wirbelt einmal um die eigene Achse.

Am Anfang beklagte sich ein Mann, der im Anzug gekommen war, bei seiner Frau, dass es keine Stühle gab: „Jetzt steht man hier wie ein Ochse!“Am Ende dürfte er versöhnt gewesen sein. Es hätte ihn eh nichts auf dem Sitz gehalten.

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FOTO: ANDREAS KREBS Bestens in Form: Sting in Düsseldorf.

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