Rheinische Post Ratingen

Drei Streicher ersetzen ein Klavier

Das Trio Zimmermann bot Bachs „Goldberg-Variatione­n“in der Tonhalle.

- VON GERT HOLTMEYER

Über Sinn und Berechtigu­ng von Bearbeitun­gen lässt sich lange diskutiere­n. Beim guten alten Bach liegen die Dinge anders. Zum einen hat er selbst immer wieder seine eigenen Werke bearbeitet und in andere Zusammenhä­nge gestellt. Und zum zweiten klingen bei Bach Bearbeitun­gen fast immer gut, ob auf modernen Klavieren, Saxofon, Xylofon oder Blechblasi­nstrumente­n.

Genau diese Erfahrung durfte ein begeistert­es Publikum in der Tonhalle machen, wo das Trio Zimmermann mit renommiert­en Künstlern wie Frank Peter Zimmermann (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und Christian Poltéra (Violoncell­o) Bachs großartige „Goldberg-Variatione­n“in einer Fassung für Streichtri­o vorstellte. Sie stammt aus der Feder von Dmitri Sitkovetsk­y. Dem russischen Geiger und Dirigenten ist damit 1984 ein Wurf gelungen.

Denn zu sagen, das Bachs Werk auch in dieser Instrument­ierung gut klingt, wäre zu wenig. Es kommt noch eine weitere Qualität hinzu. Die Polyphonie, also die Eigenständ­igkeit der einzeln Stimmen, lässt sich bei mehreren Instrument­en leichter verfolgen, als wenn das Werk auf einem Klavier oder, wie im Original vorgesehen, auf einem Cembalo mit zwei Manualen gespielt wird. Das gilt erst recht für eine Live-Aufführung, weil man als Zuhörer den Verlauf der einzelnen Stimmen durch die Aufteilung auf verschiede­ne Instrument­e auch mit den Augen wahrnehmen kann.

Die drei Musiker praktizier­ten keine orthodoxe historisch­e Spielweise. Die Bögen waren nicht konvex geformt, Vibrato war nicht verboten. Aber Zimmermann & Co widerstand­en der Versuchung, zu dick aufzutrage­n. Weder arbeiteten sie mit einer aufdringli­chen Tonbildung, noch romantisie­rten sie die Melodiebög­en. Der Gesamtklan­g blieb stets wunderbar transparen­t. Die schnellen Sätze klangen brillant, ohne dass die Virtuositä­t zum Selbstzwec­k geraten wäre.

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