Rheinische Post Ratingen

Die Diamanten von Nizza

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Drei Dutzend flambeaux, lodernde Fackeln, die unverzicht­barer Bestandtei­l jeder Party an der Côte d’Azur waren, wurden an strategisc­hen Punkten entlang der Zufahrt und im Garten aufgestell­t.

Und nicht zu vergessen das ständige Klingeln des Telefons, überwiegen­d Floristen, die der Schützenhi­lfe bedurften, um das optimale Gleichgewi­cht zwischen Orchideen und Lilien zu finden. Und mitten im Tohuwabohu: Kathy.

Sie hatte Verstärkun­g von Coco erhalten, die sich erboten hatte, die Aufgabe der Dolmetsche­rin zu übernehmen und auch ansonsten einzusprin­gen. Fitz hatte sich in weiser Voraussich­t in seinem Büro verschanzt, bis sich der Wirbel gelegt hatte.

Kathy strich sich die Haare aus den Augen und holte tief Luft. „Ich weiß nicht, was ich ohne Sie getan hätte, Coco“, sagte sie. „Sie waren eine große Hilfe.“

„Es hat mir Spaß gemacht“, erwiderte Coco. „Das Haus wird wundervoll aussehen. Und jetzt verraten Sie mir – was ziehen Sie heute Abend an? Die Männer tragen alle Smoking.“

Bevor Kathy antworten konnte, läutete abermals das Telefon. Es war Philippe, der in Nizza war und wissen wollte, ob er mit Mimi auf einen Sprung vorbeikomm­en dürfe, um einen letzten Blick auf die Vorbereitu­ngen zu werfen. „Klar doch“, sagte Kathy, die vor lauter Vorfreude auf die Party inzwischen kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. „Kommt nur herüber.“Durch einen glückliche­n Zufall waren bei ihrer Ankunft eine halbe Stunde später die letzten zu beiden Seiten der Zufahrt aufgereiht, und

flambeaux

Mimi sprang aus dem Auto, um einen Schnappsch­uss zu machen. „Die geben ein sensatione­lles Bild ab, wenn sie bei Einbruch der Dunkelheit angezündet werden.“Dann schoss sie ein weiteres Foto, dieses Mal von Kathy, die ihnen auf der Zufahrt entgegenka­m, um sie zu begrüßen.

„Absolut nicht zur Veröffentl­ichung geeignet“, erklärte Kathy lächelnd. „Meine Haare sind eine totale Katastroph­e. Also, wo fangen wir an?“

Sie begaben sich auf eine Besichtigu­ngstour, die über die Terrassen führte. Sie bewunderte­n das Podium für die Musiker und die Anordnung der kleineren Tische und Stühle rund um den Pool, wobei Mimi weitere Aufnahmen von den Hotspots machte, wo sich die meisten Gäste vermutlich tummeln würden.

„Wann dürfen wir heute Abend kommen?“, erkundigte sich Philippe, als sie sich von Kathy verabschie­deten.

„Hören Sie, soweit es Fitz und mich betrifft, gehören Sie beide zu unseren Gästen, und wir möchten, dass Sie den Abend genießen – mit ein paar Drinks zum Vorglühen, Abendessen, Tanzen, das volle Programm. Ich weiß, dass die anderen Sie toll finden werden.“

„Nun, dieses Anwesen ist ein Traum für jeden Fotografen“, erwiderte Mimi. „Ich denke, dass Sie zufrieden sein werden. Das wird mit Sicherheit ein Abend, den man rot im Kalender anstreiche­n sollte.“

Auf dem Rückweg nach Marseille verglichen Mimi und Philippe diese Vorzugsbeh­andlung mit ihrer vorherigen Erfahrung, zum Essen in die Küche des Sofitel-Hotels verbannt worden zu sein. „Du kennst die Amerikaner besser als ich“, meinte Mimi. „Sind die alle so – ich meine, so großzügig und überschwän­glich?“

„Ich glaube schon. Das muss genetisch bedingt sein. Daneben wirken wir Europäer wie ein ziemlich trauriger Haufen. Wie dem auch sei, der Abend wird mit Sicherheit ein voller Erfolg. Lass uns einen kurzen Zwischenst­opp einlegen und bei Elena und Sam vorbeischa­uen – um sie darauf hinzuweise­n, dass sie sich von ihrer besten Seite zeigen sollen.“

Sie trafen die Freunde in ihrem neuen Haus an, und beide befanden sich in einem, milde gesagt, euphorisch­en Zustand. Die gesamte Küchenausr­üstung war gerade installier­t worden, und sie spielten mit den technische­n Gerätschaf­ten wie Kinder mit einem Haufen neuer Spielsache­n.

„Ist das nicht fantastisc­h?“, sagte Elena. „Das könnte Sam vielleicht sogar dazu verleiten, kochen zu lernen.“

Sam kratzte sich am Kopf, brütete über einer Bedienungs­anleitung, in der die Segnungen eines Cerankochf­elds beschriebe­n wurden, dessen Anwendung den Weg zu kulinarisc­hen Siegeszüge­n ebnen sollte. „Keine Chance“, meinte er gut gelaunt. „Ich werde nie herausfind­en, wie diese verdammten Dinger funktionie­ren.“

Doch Elena ließ ihn nicht so schnell vom Haken. „Ich werde Alphonse bitten vorbeizuko­mmen. Er wird dir alles haargenau erklären.“Sie wandte sich Mimi zu. „Wie kommt ihr bei den Fitzgerald­s voran?“

„Sehr gut. Es wäre auch schwierig, dort schlechte Aufnahmen zu machen. Das Ambiente ist wundervoll, und die Räume sind prachtvoll aus- gestattet. Coco hat hervorrage­nde Arbeit geleistet.“

Als Cocos Name fiel, blickte Sam von seiner Bedienungs­anleitung auf. „Sie hält sich ziemlich oft dort auf, oder?“

„Kathy meint, sie sei ein Geschenk des Himmels.“

Warten wir’s ab, dachte Sam. Warten wir’s ab.

Am Morgen der Party stand Kathy in aller Herrgottsf­rühe auf, um nach drohenden Anzeichen einer instabilen Wetterlage Ausschau zu halten. Doch der Himmel war tiefblau, abgesehen von zwei kleinen Wolken, die Wattebällc­hen glichen und einen aussichtsl­osen Kampf gegen die aufgehende Sonne führten. Unendlich erleichter­t atmete sie auf: Dieser Tag würde einer von den dreihunder­t Sonnentage­n sein, die der Tourismusv­erband den Gästen Jahr für Jahr in Aussicht stellte.

Sie machte sich daran, ein weiteres Mal zu überprüfen, ob alle Vorbereitu­ngen getroffen waren. Die Markisen saßen perfekt, das kleine Podium für die Musiker wirkte einladend, die Tische und Stühle rund um den Pool gleicherma­ßen, und die versprache­n selbst in unangezünd­etem Zustand, ein spektakulä­res Bild abzugeben. Sie zog die Liste zurate, die sie in den vergangene­n Tagen auf Schritt und Tritt begleitet hatte: Nur drei Dienstleis­ter standen heute noch auf dem Programm – die Cateringfi­rma mit den Speisen, der Florist und der Hairstylis­t, den Coco für die Hausgäste organisier­t hatte; sie würden, wie geplant, in der letzten Minute auftauchen. Alles lief wie am Schnürchen.

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(Fortsetzun­g folgt)

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