Rheinische Post Ratingen

Jugendamt geht in die Schule

Ein Team hilft in einer Seiteneins­teiger-Klasse am Innenstadt-Gymnasium. Auch die Handwerksk­ammer kümmert sich.

- VON DIRK NEUBAUER

RATINGEN Der Pausengong ist auch in Raum 355 deutlich zu hören. Doch niemand steht auf und geht raus. Klassenleh­rerin Stefanie Siegel-Wendte staunt. 16 junge Männer lauschen Peter Hammerschm­id von der Handwerksk­ammer Düsseldorf, der mit wenigen Worten den weiteren Lernweg der Schüler skizziert: Die VK, die Vorbereitu­ngsklasse, absolviere­n und dabei möglichst gut Deutsch lernen. Einen Schulabsch­luss erwerben – mindestens einen sehr guten Hauptschul­abschluss. Und dann drei oder mehr Jahre lang den Wunschberu­f erlernen.

Den Gesichtern der Zuhörenden ist anzumerken, dass es hinter ihrer Stirn arbeitet. „Und was ist, wenn wir vorher wieder in unsere Heimatländ­er zurück müssen?“Auf diese Frage hat Hammerschm­id keine allgemeing­ültige Antwort. Denn vor ihm, im Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasium, sitzen junge Männer aus Syrien, dem Irak, Afghanista­n, Somalia, Albanien, Mazedonien und Serbien. Ihr Aufenthalt­sstatus ist meist noch ungeklärt. Es sind Flüchtling­e.

Sie hatten es sich mit dem Leben in der neuen Heimat meist unkomplizi­erter vorgestell­t. Das kommt bei den Fragen deutlich heraus. „Warum muss ein Kfz-Mechatroni­ker in Deutschlan­d dreieinhal­b Jahre lang lernen, bevor er als Geselle arbeiten darf? In Serbien ist man nach anderthalb Jahren fertig ausgebilde­t.“„Warum muss ich erst einen Schulabsch­luss machen, wenn ich Handwerker werden will?“Der junge Mann, der das fragt, hat sich kurz zuvor für eine Elektroaus­bildung interessie­rt. Hammerschm­id verweist auf das duale Ausbildung­ssystem – mit Arbeit in einem Handwerksu­nternehmen und begleitend­er Berufsschu­le: „Ohne einen Schulabsch­luss würden Sie dort sehr schnell den Anschluss verlieren; vor allem, wenn es um Elektronik geht.“

Die jungen Männer sind dankbar für die Aufnahme in Deutschlan­d, doch sie wollen endlich was tun. Arbeiten. Geld verdienen. Auch bei ihnen – in den Unterkünft­en und Wohngruppe­n, hat sich herumgespr­ochen, dass sich die Willkommen­skultur in ein Misstrauen­sklima gewandelt hat. Auch deshalb drängen sie darauf, endlich an den Arbeitsmar­kt zu dürfen.

Um diese Ungeduld in die richtigen Bahnen zu lenken, unterstütz­t das BuT-Team des Ratinger Jugendamte­s in der Klasse. „BuT“steht als Abkürzung für „Bildung und Teilhabe“. Sie haben Zeitstrahl­en mit den Jugendlich­en gemalt. Darauf ist abgetragen, was seit ihrer Ankunft in Deutschlan­d bereits alles passiert ist und was noch geschehen soll. Damit die jungen Männer ein Gefühl dafür bekommen, dass hier nichts überstürzt, aber auch nichts verschlepp­t wird. Der Termin mit der Handwerksk­ammer gehört ebenfalls in die Reihe.

Bis Ende Mai dieses Jahres werden sie nun mit der Vorbereitu­ngsklasse Bewerbungs­verfahren durchsprec­hen. Ein wichtiger Bestandtei­l auf dem Weg in die mögliche Ausbildung.

Integratio­n braucht eben Zeit, damit sie gelingt.

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