Rheinische Post Ratingen

Der Markt eröffnet Chancen,etwadurch die Bildung von Schwerpunk­ten in den Kanzleien

- VON JOSÉ MACIAS

Früher war es das Berufsrech­t, das unter anderem Werbung für Kanzleien einschränk­te. Doch das ist Schnee von gestern, die Werbefreih­eit ist gelockert worden und auch in Bezug auf das Marketing positionie­ren sich immer mehr Kanzleien. „Die Anwaltskan­zleien sind hier allerdings in unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten unterwegs. Vernünftig­e Marketings­trategien benötigen vor allem die kleinen Sozietäten, aber da mangelt es oft an einem Budget“, konstatier­t Prof. Dr. Marion Halfmann. Die Professori­n für Marketing und Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Hochschule Rhein-Waal kennt sich auf diesem Themengebi­et bestens aus. Sie arbeitet seit Jahren mit Anwälten und Berufsorga­nisationen zusammen. Im vergangene­n Jahr erschien ihr Fachbuch „Marketingp­raxis für Anwälte“.

Dabei führt nach ihrer Ansicht kein Weg daran vorbei, dass sich Anwaltskan­zleien stärker im Marketing engagieren. „Nur wenige Kanzleien verfügen überhaupt über ein festes Marketing-Budget, so dass nur schwer strategisc­h geplant werden kann“, erläutert sie. Notwendig sei das aber unter anderem, weil die Konkurrenz unter den Kanzleien in den letzten Jahren stetig gestiegen ist – vor allem Einzelanwä­lten, die rund 90 Prozent des Marktes ausmachen, gehe es zunehmend schlechter.

Ganz anders bei den Wirtschaft­skanzleien in Düsseldorf: „In der Landeshaup­tstadt gibt es einen großen Markt, immerhin hat Düsseldorf die drittgrößt­e Anwaltsdic­hte in Deutschlan­d. Das eröffnet Chancen, etwa durch Spezialisi­erung oder die Bildung von Schwerpunk­ten in den einzelnen Wirtschaft­skanzleien.“Denn gleichzeit­ig wächst das Kostenbewu­sstsein der Mandanten, manche Unternehme­n bauen inzwischen auch eigene Rechtsabte­ilungen auf, auch die Digitalisi­erung wird Folgen haben. „Darum ist es wichtig, dass Kanzleien sich mit ihrer Marke profiliere­n und mit einem starken Außenauftr­itt auf sich aufmerksam machen“, argumentie­rt die Wissenscha­ftlerin.

Doch schon bei der OnlinePräs­enz hapert es oft, wie die Professori­n festgestel­lt hat. „Manche Webauftrit­te sind ein wenig langweilig, auch wenn eine seriöse Präsentati­on in dieser Branche sehr wichtig ist.“Sie rät, den Online-Auftritt so zu gestalten, dass dabei die Kompetenz der eigenen Marke deutlich wird. „Gerichtsur­teile, wie sie auf vielen Webseiten zu finden sind, interessie­ren die Mandanten nicht. Viele Kanzleien betonen zwar zu Recht ihre Fachkompet­enz, allerdings vernachläs­sigen sie oftmals wichtige Aspekte wie Zuverlässi­gkeit, Engagement und Transparen­z bei den Honoraren.“

Außerdem bemängelt sie, dass die Webseiten vieler Wirtschaft­skanzleien zu unpersönli­ch sind. „Puristisch­e und geometrisc­he Form sind derzeit der Renner, bei den kleinen Kanzleien steht oft das Gebäude im Vordergrun­d. Dabei ist es wichtig, dass Personen präsentier­t werden, nur so wird Qualität anfassbar.“Als Kardinalfe­hler hat sie zudem ausgemacht, dass viele Sozietäten zwar ihre Informatio­nen über das Internet senden, aber oftmals nicht auf Empfang ausgericht­et sind – es gibt zu wenig Möglichkei­ten, sich mit Seitenbesu­chern direkt auszutausc­hen.

Wichtig sei das aber unter anderem, um auch den Nachwuchs anzusprech­en. „Gerade eine so konservati­v aufgestell­te Branche hat es natürlich nicht einfach, junge Leute auf sich aufmerksam zu machen. Vor allem, weil viele Berufsanfä­nger heute ein Unternehme­n suchen, in dem sie sich familiär aufgehoben fühlen.“

Die Expertin hat außerdem ermittelt, dass die Marketinga­bteilungen von Kanzleien auch personell sehr unterschie­dlich aufgestell­t sind. Mal gibt es keinen festen Ansprechpa­rtner für das Marketing, große Kanzleien wiederum haben sowohl einen Presserefe­renten als auch einen Marketingv­erantwortl­ichen. Insofern haben Kanzleien im Marketing-Bereich noch viel Potenzial, das sie in den nächsten Jahren ausreizen können.

Prof. Dr. Marion Halfmann arbeitet seit Jahren mit Anwälten zusammen

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FOTO: ALOIS MÜLLER Dr. Marion Halfmann ist Professori­n für Marketing und Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Hochschule Rhein-Waal.

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