Compliance kann vor Strafe schützen
Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs lässt aufhorchen: Verletzt ein Vorstandsmitglied gegenüber seinem Unternehmen seine Pflichten und entsteht dadurch dem Unternehmen ein Schaden, dann droht eine Anklage wegen Untreue. Die Kanzlei Rotthege Wassermann sieht in diesem wegweisenden Urteil einen kritischen Wendepunkt in der Rechtsprechung.
Wann machen sich Vorstände oder Geschäftsführer gegenüber ihrem Unternehmen schadensersatzpflichtig? Und wann droht sogar eine Anklage wegen Untreue? Diese Problematik beschäftigt seit Jahren unzählige Wirtschaftsanwälte und Unternehmen. Gerade Düsseldorf spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, denn ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte vor Jahren hier seinen Ausgang. Als „ARAG/Garmenbeck“-Urteil ging es in die Rechtsgeschichte ein, Auslöser war der Fall eines Arag-Vorstands in den 90-er Jahren. Es stellte sich die Frage, ob der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied wegen Schadensersatzes in Anspruch nehmen muss.
Der BGH entschied sich gegen ein Ermessen des Aufsichtsrats und trat damit eine Haftungswelle los. „Teils abenteuerliche Schadenersatzforderungen wurden in der Folgezeit in Vorstandshaftungsfällen erhoben – Größenordnungen, die weder vom Vorstandsmitglied noch einer D&O-Versicherung eintreibbar waren“, erinnert Dr. Barnim von den Steinen, Partner der Düsseldorfer Sozietät Rotthege Wassermann. „Da in der Folge Vorstände vielfach nur aufgrund von Gutachten bereit waren, wichtige Entscheidungen zu treffen, ruderte die Praxis – zu Recht – zurück. Unternehmensführer müssen auch riskante Entscheidungen treffen können, ohne eigene Haftung oder gar Strafen zu fürchten.“
Doch diese Praxis muss nach einem erst kürzlich veröffent- lichten BGH-Urteil wohl überprüft werden, befürchtet der Wirtschaftsanwalt, der als neuer Partner der Kanzlei auf eine umfassende Erfahrung in den Bereichen Organhaftung und Compliance zurückgreifen kann. „Die Entscheidung markiert einen kritischen Wendepunkt im Recht der Haftung von Organmitgliedern“, so von den Steinen.
In diesem Fall ging es um Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank, die sich vor Gericht gegen den Vorwurf der Untreue zu verteidigen hatten. Das Landgericht hatte sie freigesprochen, weil es keine „gravierenden“Pflichtverletzungen erkannte.
Das sah der BGH anders und hob die Freisprüche auf – ausgehend von der Gleichsetzung, dass eine Pflichtverletzung mit Schadensfolge automatisch eine strafbare Untreue begründe; einer zusätzlichen Prüfung, ob die Pflichtverletzung auch gravierend sei, bedürfe es nicht.
Müssen nun Vorstände und Geschäftsführer also in Zukunft wieder mit äußerster Vorsicht agieren? Dr. Barnim von den Steinen verweist auf einen „schmalen Grad“: „So muss das Landgericht im vorliegenden Fall erneut prüfen, ob wirklich eine Pflichtverletzung gegeben war. Damit liegt das Augenmerk auf der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine gescheiterte unternehmerische Entscheidung als Pflichtverletzung anzusehen ist.“
Vor diesem Hintergrund werden Compliance-Systeme für Unternehmen immer wichtiger, vor allem, um systematische Risiken auszuschließen – ein Bereich, der auch für Mittelständler zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es müssen nicht immer grobe Fehler sein, auch kleinere Unzulänglichkeiten können erhebliche negative Folgen für Unternehmen und Manager haben. „Wer etwa kein Steuer-ComplianceSystem hat, gerät bei fehlerhaften Umsatzsteuer-Anmeldungen schnell in den Bereich der Strafbarkeit. Wer jedoch über ein solches System verfügt, hat gute Chancen, Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auszuschließen, und macht sich dann nicht strafbar“, ergänzt der Partner.
Fünf neue Partner sind bei Rotthege Wassermann im vergangenen Jahr hinzugekommen. Mit den Partnerernennungen setzt die Kanzlei ihren Wachstumskurs in Düsseldorf und dem zweiten Standort, Essen, fort.
Einer der „Neuen“in Düsseldorf ist Dr. Andreas Töller. Mit ihm hat sich die Sozietät im Bereich Gesellschaftsrecht verstärkt. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen. „Das sind interessante Geschäftsbereiche für Mandanten, die wir in allen Phasen ihrer Unternehmung wirtschaftsrechtlich und steuerlich beraten können,“so Töller.
Die Partnerernennungen passen perfekt zur Philosophie von Rotthege Wassermann, indem sie die beiden Kernbereiche Unternehmen und Immobilien verstärken. „Im Immobilienbereich beraten wir nicht nur beim Kauf und Verkauf, vor allem die Beratung zu Hotelpachtverträgen wird immer stärker nachgefragt“, so von den Steinen. „Auch die Beratung rund um Immobilienfonds haben wir verstärkt. So bildet die aufsichtsrechtliche Begleitung von Fondsgesellschaften zum Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) eine wichtige Schnittstelle zwischen Unternehmens- und Immobilienrecht.“
Vorstände dürfen als Folge von Gerichtsentscheidungen nicht risikoavers werden