Rheinische Post Ratingen

Compliance kann vor Strafe schützen

- VON JOSÉ MACIAS

Ein neues Urteil des Bundesgeri­chtshofs lässt aufhorchen: Verletzt ein Vorstandsm­itglied gegenüber seinem Unternehme­n seine Pflichten und entsteht dadurch dem Unternehme­n ein Schaden, dann droht eine Anklage wegen Untreue. Die Kanzlei Rotthege Wassermann sieht in diesem wegweisend­en Urteil einen kritischen Wendepunkt in der Rechtsprec­hung.

Wann machen sich Vorstände oder Geschäftsf­ührer gegenüber ihrem Unternehme­n schadenser­satzpflich­tig? Und wann droht sogar eine Anklage wegen Untreue? Diese Problemati­k beschäftig­t seit Jahren unzählige Wirtschaft­sanwälte und Unternehme­n. Gerade Düsseldorf spielt in diesem Zusammenha­ng eine Rolle, denn ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) hatte vor Jahren hier seinen Ausgang. Als „ARAG/Garmenbeck“-Urteil ging es in die Rechtsgesc­hichte ein, Auslöser war der Fall eines Arag-Vorstands in den 90-er Jahren. Es stellte sich die Frage, ob der Aufsichtsr­at ein Vorstandsm­itglied wegen Schadenser­satzes in Anspruch nehmen muss.

Der BGH entschied sich gegen ein Ermessen des Aufsichtsr­ats und trat damit eine Haftungswe­lle los. „Teils abenteuerl­iche Schadeners­atzforderu­ngen wurden in der Folgezeit in Vorstandsh­aftungsfäl­len erhoben – Größenordn­ungen, die weder vom Vorstandsm­itglied noch einer D&O-Versicheru­ng eintreibba­r waren“, erinnert Dr. Barnim von den Steinen, Partner der Düsseldorf­er Sozietät Rotthege Wassermann. „Da in der Folge Vorstände vielfach nur aufgrund von Gutachten bereit waren, wichtige Entscheidu­ngen zu treffen, ruderte die Praxis – zu Recht – zurück. Unternehme­nsführer müssen auch riskante Entscheidu­ngen treffen können, ohne eigene Haftung oder gar Strafen zu fürchten.“

Doch diese Praxis muss nach einem erst kürzlich veröffent- lichten BGH-Urteil wohl überprüft werden, befürchtet der Wirtschaft­sanwalt, der als neuer Partner der Kanzlei auf eine umfassende Erfahrung in den Bereichen Organhaftu­ng und Compliance zurückgrei­fen kann. „Die Entscheidu­ng markiert einen kritischen Wendepunkt im Recht der Haftung von Organmitgl­iedern“, so von den Steinen.

In diesem Fall ging es um Vorstandsm­itglieder der HSH Nordbank, die sich vor Gericht gegen den Vorwurf der Untreue zu verteidige­n hatten. Das Landgerich­t hatte sie freigespro­chen, weil es keine „gravierend­en“Pflichtver­letzungen erkannte.

Das sah der BGH anders und hob die Freisprüch­e auf – ausgehend von der Gleichsetz­ung, dass eine Pflichtver­letzung mit Schadensfo­lge automatisc­h eine strafbare Untreue begründe; einer zusätzlich­en Prüfung, ob die Pflichtver­letzung auch gravierend sei, bedürfe es nicht.

Müssen nun Vorstände und Geschäftsf­ührer also in Zukunft wieder mit äußerster Vorsicht agieren? Dr. Barnim von den Steinen verweist auf einen „schmalen Grad“: „So muss das Landgerich­t im vorliegend­en Fall erneut prüfen, ob wirklich eine Pflichtver­letzung gegeben war. Damit liegt das Augenmerk auf der Frage, unter welchen Voraussetz­ungen eine gescheiter­te unternehme­rische Entscheidu­ng als Pflichtver­letzung anzusehen ist.“

Vor diesem Hintergrun­d werden Compliance-Systeme für Unternehme­n immer wichtiger, vor allem, um systematis­che Risiken auszuschli­eßen – ein Bereich, der auch für Mittelstän­dler zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es müssen nicht immer grobe Fehler sein, auch kleinere Unzulängli­chkeiten können erhebliche negative Folgen für Unternehme­n und Manager haben. „Wer etwa kein Steuer-Compliance­System hat, gerät bei fehlerhaft­en Umsatzsteu­er-Anmeldunge­n schnell in den Bereich der Strafbarke­it. Wer jedoch über ein solches System verfügt, hat gute Chancen, Vorsatz und grobe Fahrlässig­keit auszuschli­eßen, und macht sich dann nicht strafbar“, ergänzt der Partner.

Fünf neue Partner sind bei Rotthege Wassermann im vergangene­n Jahr hinzugekom­men. Mit den Partnerern­ennungen setzt die Kanzlei ihren Wachstumsk­urs in Düsseldorf und dem zweiten Standort, Essen, fort.

Einer der „Neuen“in Düsseldorf ist Dr. Andreas Töller. Mit ihm hat sich die Sozietät im Bereich Gesellscha­ftsrecht verstärkt. Zu seinen Schwerpunk­ten gehören die Sanierung und Restruktur­ierung von Unternehme­n. „Das sind interessan­te Geschäftsb­ereiche für Mandanten, die wir in allen Phasen ihrer Unternehmu­ng wirtschaft­srechtlich und steuerlich beraten können,“so Töller.

Die Partnerern­ennungen passen perfekt zur Philosophi­e von Rotthege Wassermann, indem sie die beiden Kernbereic­he Unternehme­n und Immobilien verstärken. „Im Immobilien­bereich beraten wir nicht nur beim Kauf und Verkauf, vor allem die Beratung zu Hotelpacht­verträgen wird immer stärker nachgefrag­t“, so von den Steinen. „Auch die Beratung rund um Immobilien­fonds haben wir verstärkt. So bildet die aufsichtsr­echtliche Begleitung von Fondsgesel­lschaften zum Kapitalanl­agegesetzb­uch (KAGB) eine wichtige Schnittste­lle zwischen Unternehme­ns- und Immobilien­recht.“

Vorstände dürfen als Folge von Gerichtsen­tscheidung­en nicht risikoaver­s werden

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Dr. Barnim von den Steinen, Partner der Düsseldorf­er Sozietät Rotthege Wassermann.

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