Rheinische Post Ratingen

Über die Kräfte der Gegenzivil­isation

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Sachbuch Was bringt Menschen dazu, sich in kürzester Zeit zu radikalisi­eren und im Namen des Islam zu töten? Über diese Frage ist viel nachgedach­t worden, meist in sozialen und politische­n Kategorien. Der in Tunesien geborene französisc­he Psychoanal­ytiker Fethi Benslama untersucht, warum eine Religion den Deutungsra­hmen liefert, mit dessen Hilfe junge Menschen sich einreden können, sie töteten aus Liebe – aus Liebe zu Gott. Benslama hat viele Jahre mit Jugendlich­en in Pariser Vororten gearbeitet, hat immer wieder von dem Verlangen gehört „muslimisch­er“zu werden und dem Verlangen, andere im glühenden Glauben zu übertreffe­n. Der Islamwisse­nschaftler nutzt die Kategorien der Psychoanal­yse, um zu erkunden, warum Menschen das Morden plötzlich genießen, warum Kräfte der Gegenzivil­isation unter zivilisier­ten Menschen aufbrechen. Seine Theorie vom „Übermuslim“ist eine erhellende Ergänzung der Debatte. Dorothee Krings Fethi Benslama: sächlich steckt in jedem Arrangemen­t eine Menge Arbeit. Man höre sich nur das Demo des Titelsongs an. Stevie Nicks diffundier­t ziellos durch die Strophen, der Synthesize­r pumpt unermüdlic­h Volumen ins Arrangemen­t, aber das Stück bleibt unentschie­den. Es wurde viel gewerkelt an dem Entwurf, und das Ergebnis ist noch heute umwerfend: Lindsay Buckingham singt nun, hart angeschlag­ene E-Gitarren schneiden durch die Texte. Ähnliches ist bei „Seven Wonders“zu beobachten: Der Demo-Gesang von Stevie Nicks franst in den Höhen aus, das Lied hat keine Kontur. Auf dem Album landet dann eine präzise, klar strukturie­rte und großartig gesungene Version.

Die Demos verraten viel über den Zustand der Musiker. Lindsay Buckingham hat die Entwürfe in seinem Heimstudio poliert und mit Goldlack überzogen. Die Faszinatio­n dieser Platte ergibt sich indes daraus, dass es unter der Oberfläche weiterhin brodelt. Philipp Holstein

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